Frisch gepresst: Roman (German Edition)
und die 10 mit Ananas und Schinken«, mit diesen erfreulichen Worten öffnet sich unsere Zimmertür. Schwester Huberta mit 2 Pizzakartons in der Hand. »Die Farfalles, die Familie einer Wöchnerin, haben uns überschüttet. Die Urologie, die Innere und die Intensiv sind schon am Essen, aber wir haben immer noch genug da. Lust auf das ein oder andere Stück?« Christoph, eigentlich nicht gefragt, nickt sofort. Daß ihm der Sabber nicht aus dem Mund läuft, ist alles. Hat der nicht schon mein Schnitzel gegessen? Das von heute mittag? Je mehr ich nachdenke, über das, was ich heute nicht gegessen habe, desto hungriger werde ich. Mit einem strengen Blick verweise ich ihn, meinen gierigen Freund, in die zweite Reihe der Bedürftigen hier im Raum. Frau Tratschner und ich nehmen das Angebot von Schwester Huberta dankend an. Da sieht man es wieder. Mein Stück Pizza am ersten Tag auf dieser Station hat einen bleibenden Eindruck bei Huberta hinterlassen. Eine Hand wäscht eben die andere. Die Pizza ist wundervoll. Kurzfristig beneide ich die Top-Sun-Besitzerin. Frau Farfalle mit den Wunderkrallen und dem dunklen Teint. Verwandt mit den Machern solcher Pizzakunstwerke. Muß das ein herrliches Leben sein. Ich tröste mich damit, daß ich ja jetzt weiß, wo ich diese leckeren Dinger besorgen kann. Christoph findet die Pizza okay, aber keinesfalls herausragend. »Du hast heute sonst nichts gegessen, da ist diese Begeisterung ganz natürlich, in drei Tagen wärst du von einer Brotkante so verzückt«, analysiert er mit seinem Juristenhirn die Situation. Ich bedanke mich für dieses aufmerksame Wort zur Nacht und verabschiede meinen Quasi-Gatten. Dafür, daß ihm die Pizza nur so lala geschmeckt hat, hat er ordentlich reingehauen.
Nach dem Essen nutze ich die Ruhe auf der Station und vor allem in unserem Zimmer, um endlich mal wieder ausgiebig zu duschen. Ein traumhaftes Gefühl. Wie das Wasser so über das Wellfleisch rinnt. Auch der Kater ist nach der Dusche endgültig vertrieben. Frisch, lecker riechend und vom Kopfschmerz befreit, krieche ich in mein Bett. Zeit für mein Gespräch mit der Tratschner.
»Barbara«, besinne ich mich auf unser nächtliches Duz-Angebot, »Barbara, darf ich dich mal was fragen?« – »Seit wann fragt hier jemand, ob er mal was fragen darf«, kommt es erstaunt vom Fenster. »Leg los, was gibt’s?« – Ich druckse einen Moment rum, bis ich die alles entscheidende Frage raushabe: »Barbara, warum besucht dich niemand?« Richtig geschickt verpackt war die Frage nicht. Aber deshalb auch eindeutig zu verstehen. Barbara lacht. »Ach, das hast du ja nicht mitbekommen. Mit der Inge habe ich die Sache schon lang und breit erörtert. Mein Freund lebt in der Antarktis. Eine Pinguinforschungsstation. Er kommt vielleicht in zwei, drei Monaten. Willst du ihn mal sehen?« Sie schiebt mir ein Foto rüber. Ein Kerl, etwa so groß wie ein Eisbär, in eine knallrote Daunenjacke gehüllt. Auf dem Kopf eine Kapuze mit Fellrand. Bärtig ist er. Kernig sieht er aus. Reinhold-Messner-Typ. »Hat er noch alle Zehen«, platze ich raus. »Klar, wieso auch nicht? Er geht ja schließlich nicht in Sandalen durchs ewige Eis«, kichert sie. »Ich werde oft gefragt, ob mein Egi noch alle Tassen im Schrank hat, aber ob er noch alle Zehen hat, das ist echt der Knaller.« Sie lacht und lacht. Ich kann’s ihr nicht verdenken. »Aber Verwandte oder Freunde, warum kommt von denen denn niemand?« will ich es jetzt ganz genau wissen. »Ich stamme aus Süddeutschland«, antwortet sie bereitwillig, »Geschwister habe ich nicht, und meine Eltern kommen übermorgen. Wir Kaiserschnitte dürfen ja etwas länger hier rumliegen. Auch meine Freunde haben sich für die nächsten Tage angemeldet. War einfach ein blödes Timing.«
Ich bin erleichtert. Schließlich hatte ich mit grausligen Beichten gerechnet. Mir selbst mehrere Versionen zurechtgelegt. Meine liebste Variante war die mit der künstlichen Befruchtung in Amerika. Die, die Frau Tratschner heimlich vorgenommen hat, um den Mann, den sie liebt, der aber unfruchtbar wie nur was ist, glücklich zu machen und ihm das Gefühl zu geben, er wäre ein potenter Hirsch. Aber als sie ihm die Schwangerschaft mitteilt, zeigt er sein wahres Gesicht und verläßt sie im neunten Monat. Zurück bleiben die grundanständige Frau Tratschner, ein nicht zusammengebautes Babybett und seine Hämorrhoidencreme. So oder so ähnlich. Ich husche noch mal schnell ins Babyzimmer, schmatze mein Kind und mache mich
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