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Frisch getraut: Roman (German Edition)

Frisch getraut: Roman (German Edition)

Titel: Frisch getraut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Gibson
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sie retten, doch das Einzige, was er für sie tun konnte, war, ihre Geschichte zu erzählen. Darüber zu berichten und die Welt darauf aufmerksam zu machen. Doch das reichte nicht. Es reichte nie. Wenn es hart auf hart kam, war es der Welt scheißegal, es sei denn, es geschah vor der eigenen Haustür.
    Zwei Jahre vor dem 11. September hatte er einen Artikel über die Taliban und die strenge Auslegung der Scharia unter der Führung von Mullah Muhammad Omar geschrieben. Er hatte von den öffentlichen Exekutionen und Auspeitschungen unschuldiger Zivilisten berichtet, während die mächtigen Nationen – die Verfechter der Demokratie – dabeistanden und tatenlos zusahen. Er hatte ein Buch mit dem Titel Zersplittert: Zwanzig Jahre Krieg in Afghanistan über seine Erfahrungen und die daraus folgenden Konsequenzen für eine Welt geschrieben, die wegschaute. Das Buch war von den Kritikern gelobt worden, doch die Verkaufszahlen waren bescheiden gewesen.
    All das hatte sich an einem klaren, blauen Septembertag geändert, als Terroristen vier kommerzielle amerikanische Verkehrsflugzeuge entführten, und plötzlich richteten die Menschen ihre Aufmerksamkeit auf Afghanistan und die Gräueltaten, die von den Taliban im Namen des Islam begangen wurden.
    Ein Jahr nach der Veröffentlichung des Buches erreichte es
die Nummer eins der Bestseller-Listen, und plötzlich war er ein gefragter Mann. Alle Medien vom Boston Globe bis zu Good Morning America rissen sich um ein Interview mit ihm. Ein paar hatte er gegeben, die meisten Anfragen jedoch abgelehnt. Er machte sich nichts aus dem Scheinwerferlicht, auch nichts aus Politik und Politikern. Er war im Wählerverzeichnis als Unabhängiger registriert und ein typischer Wechselwähler. Ihm lag am Herzen, die Wahrheit aufzudecken und sie der Welt zu zeigen. Das war sein Job. Er hatte sich, manchmal mit Hauen und Stechen, an die Spitze gekämpft, und er liebte seine Arbeit.
    Doch in letzter Zeit fiel sie ihm nicht mehr so leicht. Seine Schlaflosigkeit laugte ihn physisch und psychisch aus. Er merkte, wie ihm alles, wofür er so hart gearbeitet hatte, entglitt. Wie das Feuer in ihm schwächer wurde. Je heftiger er dagegen ankämpfte, desto schwächer wurde es, und das ängstigte ihn zutiefst.
    Für die Autofahrt vom Double-Tree-Hotel, für die ein Einheimischer fünfzehn Minuten gebraucht hätte, brauchte er eine Stunde. Er bog falsch ab und gurkte orientierungslos in den Gebirgsausläufern umher, bis er sich seine Niederlage eingestand und die Koordinaten in das Navigationssystem des Geländewagens eingab. Er benutzte das GPS nur ungern und tat lieber so, als würde er es nicht brauchen. Navigationssysteme waren was für Waschlappen. Genau wie anhalten und nach dem Weg fragen. Er fragte nicht mal im Ausland gern nach dem Weg. Es war zwar ein Klischee, aber eins, das auf ihn zutraf. Genau, wie er es hasste, einzukaufen und Frauen weinen zu sehen. Er würde so gut wie alles tun, um eine Frau vom Weinen abzuhalten. Manche Sachen waren Klischees, dachte er, weil sie eben doch meist zutrafen.
    Es war so gegen elf, als er in die Zufahrt zum Herrenhaus der Wingates bog und an dem dreistöckigen Haus vorbeifuhr, das vorwiegend aus Kalkstein bestand, der von Sträflingen aus dem alten Gefängnis ein paar Meilen weiter oben an der Straße gehauen worden war. Er erinnerte sich noch an das erste Mal, als er das imposante Gebäude gesehen hatte. Damals war er etwa fünf gewesen und hatte geglaubt, in den dunklen Steinmauern müsse eine riesige Familie leben. Entsetzt hatte er zur Kenntnis genommen, dass dort nur zwei Menschen wohnten: Mrs. Wingate und ihre Tochter Claresta.
    Sebastian fuhr weiter bis hinters Haus und parkte vor der steinernen Garage. Joyce Wingate und sein Vater standen im Garten und deuteten auf Reihen aus Rosenbüschen. Sein Vater trug wie immer ein gestärktes beigefarbenes Hemd, eine braune Hose und einen hellbraunen Panamahut, der sein dunkles, langsam grau werdendes Haar bedeckte. Urplötzlich hatte er eine deutliche Erinnerung daran, wie er seinem Vater in diesem Garten geholfen hatte. Wie er im Dreck gewühlt und mit einem kleinen Spaten Spinnen totgeschlagen hatte. Es hatte einen Riesenspaß gemacht. Damals hatte er zu ihm aufgesehen wie zu einem Superhelden, hatte jedes seiner Worte aufgesogen, ob er nun über Mulch, übers Fischen oder darüber gesprochen hatte, wie man einen Drachen steigen ließ. Doch all das hatte abrupt geendet, und lange Jahre waren Bitterkeit und

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