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Frisch getraut: Roman (German Edition)

Frisch getraut: Roman (German Edition)

Titel: Frisch getraut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Gibson
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Imitate. Er war in seinem Leben weiß Gott mit genug reichen Weibern ausgegangen, um zu wissen, dass sie sich lieber die Kehle durchschneiden würden, als Fakes zu tragen.
    Er schaltete den Fernseher aus, räumte das Zimmer und verließ das Hotel. Er wusste noch nicht, wie lange er in Boise bleiben würde. Verdammt, bis zu dem Moment, als er anfing zu packen, hatte er gar nicht vorgehabt, seinen Vater zu besuchen. Gerade noch hatte er seine Notizen für einen Artikel für Newsweek über einheimische Terroristen geordnet, und plötzlich war er aufgesprungen und hatte nach seinem Koffer gegriffen.
    Sein schwarzer Landcruiser parkte gleich neben dem Eingang,
wo er ihn am Abend zuvor abgestellt hatte, und er stieg ein. Er wusste nicht, was mit ihm los war. Er hatte beim Schreiben einer Story noch nie Probleme gehabt. Nicht in diesem Stadium. Nicht, wenn seine Notizen geordnet waren und er das verdammte Ding nur noch runterhämmern musste. Doch jeder Versuch endete damit, dass er totalen Unsinn schrieb und die Löschtaste drückte. Zum ersten Mal überhaupt hatte er Angst, einen Abgabetermin nicht einhalten zu können.
    Auf dem Armaturenbrett lag seine Ray-Ban, und er griff danach. Er war nur müde. Er war fünfunddreißig und so verdammt müde. Er setzte die Sonnenbrille auf und ließ den Motor des Geländewagens an. Er war jetzt seit zwei Tagen in Boise, nachdem er von Seattle nonstop durchgefahren war. Wenn er nur mal genug Schlaf kriegen würde – acht Stunden am Stück sollten reichen … Doch noch während er sich einredete, dass das alles war, was er brauchte, wusste er, dass es Quatsch war. Er war schon mit viel weniger Schlaf ausgekommen und hatte seine Arbeit trotzdem erledigt; selbst bei Sandstürmen oder Unwettern (einmal, im Südirak, hatte er sogar beides gleichzeitig erlebt) war es ihm immer gelungen, seine Arbeit fertigzukriegen und seine Termine einzuhalten.
    Es war noch nicht mal Mittag, und die Temperatur in Boise betrug schon neunundzwanzig Grad, als er vom Parkplatz fuhr. Er stellte die Klimaanlage an und richtete das Gebläse auf sein Gesicht. Letzten Monat hatte er sich von Kopf bis Fuß durchchecken lassen. Von Grippe bis HIV war er auf alles untersucht worden. Er war vollkommen gesund. Körperlich fehlte ihm nichts.
    Auch mental hatte er keine Probleme. Er liebte seinen Beruf. Er hatte sich den Hintern aufgerissen, um dahin zu kommen,
wo er jetzt war. Hatte sich jeden Zentimeter erkämpft und war einer der erfolgreichsten Journalisten des Landes. Es gab nicht viele Kerle wie ihn. Männer, die es nicht durch ihre Herkunft, die richtigen Beziehungen oder einen Abschluss in Columbia oder Princeton an die Spitze geschafft hatten, sondern allein durch ihre Leistung. Klar, sein Talent und seine Leidenschaft für den Journalismus hatten auch eine Rolle gespielt, doch vor allem hatte er es durch seine Zähigkeit und die hundertprozentige Entschlossenheit geschafft, die durch seine Adern floss. Man hatte ihm schon vorgeworfen, ein arrogantes Arschloch zu sein, was wahrscheinlich sogar stimmte. Am meisten ärgerte seine Kritiker jedoch, dass diese Wahrheit ihn nicht um den Schlaf brachte.
    Nein, ihn hielt etwas anderes wach. Etwas, das ihn aus dem Hinterhalt getroffen hatte. Er hatte die ganze Welt bereist und lebte in ständiger Verblüffung über das Erlebte. Er hatte über so vielfältige Themen wie prähistorische Kunst in den Höhlen von Ostborneo bis hin zu Lauffeuern in Colorado berichtet. Er hatte die Seidenstraße bereist und auf der Chinesischen Mauer gestanden. Er hatte das Privileg gehabt, gewöhnliche und außergewöhnliche Menschen zu treffen, und jede Minute genossen. Wenn er einen Moment innehielt, um sein Leben Revue passieren zu lassen, war er immer wieder aufs Neue erstaunt.
    Klar, er hatte auch so manche üble Situation erlebt. Er war beim Ersten Bataillon des Fünften Marineinfanterie-Regiments eingebettet gewesen, als es dreihundert Meilen in den Irak und bis nach Bagdad vorgedrungen war. Er war mit einem vorgehaltenen Speer bedroht worden und kannte die Geräusche kämpfender Männer, die vor seinen Augen starben. Er kannte den Geschmack von Angst und Kordit in seinem Mund.
    Er kannte den Geruch von Hungersnot und Gewalt, hatte die Flammen des Fanatismus in den Augen von Selbstmordattentätern brennen sehen und die Hoffnungen tapferer Männer und Frauen, die entschlossen waren, für sich selbst und ihre Familien einzutreten. Verzweifelte Menschen, die ihn ansahen, als könnte er

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