Frisch getraut: Roman (German Edition)
jetzt auch noch hellsehen?«
»Sebastian, du bist fünfunddreißig Jahre alt und hattest noch nie eine ernste Beziehung. Ich muss nicht hellsehen können, um zu wissen, dass ich in deinem Leben nur eine in einer langen Reihe von Frauen bin. Ich muss nicht hellsehen können, um zu wissen, dass du noch nie richtig verliebt warst. Mit Herzklopfen, Atemnot und völlig verrückt nur nach einer Frau.«
Er runzelte die Stirn und hob arrogant den Kopf, als er auf sie herabsah. »Du glaubst langsam an deine eigenen Liebesromane. Du hast ein echt verzerrtes Bild von Männern.«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Mein Bild von dir ist glasklar. Ich kann nicht noch mehr von meinem Leben an einen
Mann vergeuden, der sich nicht mal festlegen kann, wo er morgen ist, ganz zu schweigen davon, mit mir zusammen zu sein. Ich will mehr.« Sie wandte sich ab und lief weg, solange sie noch laufen konnte.
»Na dann, viel Glück«, rief er ihr nach und trampelte auf ihr sowieso schon zerquetschtes Herz.
Neunzehn
Sebastian betrat das Kutschenhaus und fühlte sich, als hätte man ihm von hinten eins übergebraten. Was zum Teufel war gerade passiert? Eben noch war alles super gelaufen, und dann hatte Clare plötzlich angefangen, über Gefühle, eine feste Beziehung und Liebe zu sprechen. Warum auf einmal? In einer Sekunde hatte er noch gedacht, wie toll alles zwischen ihnen lief, und in der nächsten eröffnete sie ihm, dass sie ihn nicht mehr sehen wollte.
»Was soll der Quatsch?«
Sein Vater, der am Fenster stand und in den Garten der Wingates schaute, drehte sich zu ihm um. »Was war das denn?«
Sebastian pfefferte die Brookstone-Tüte aufs Sofa. »Ich hab dir ein Massagegerät für deinen Rücken besorgt.«
»Danke. Das war aber nicht nötig.«
»Ich wollte es aber gern.«
Leo wandte sich vom Fenster ab. »Warum ist Clare so aufgelöst?«
Er sah seinem Vater in die Augen und zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht.«
»Ich bin vielleicht alt, aber senil bin ich nicht. Ich weiß, dass ihr euch getroffen habt.«
»Tja, es ist vorbei.« Obwohl er es sagte, konnte er es immer noch nicht fassen.
»Sie ist ein so liebes, nettes Mädchen. Ich hasse es, wenn sie so außer sich ist.«
»Das ist Bockmist! Sie ist kein liebes, nettes Mädchen«, explodierte er. »Ich bin dein Sohn, und es scheint dir überhaupt nichts auszumachen, dass ich vielleicht ›außer mir‹ bin.«
Leo zog die buschigen Augenbrauen zusammen. »Natürlich macht es mir was aus. Ich dachte nur, dass du derjenige warst, der … Schluss gemacht hat.«
»Nein.«
»Ach so.«
Sebastian setzte sich auf die Couch und vergrub das Gesicht in den Händen, obwohl er viel mehr Lust gehabt hätte, mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen. »Alles lief toll, echt perfekt, und dann, typisch Frau, muss sie alles versauen.«
Leo nahm die Papiertüte weg und setzte sich neben ihn. »Was ist passiert?«
Sebastian ließ die Hände in den Schoß sinken. »Ich wünschte, ich wüsste es. Wir hatten echt Spaß. Dann sieht sie ihren Exfreund, und bevor ich mich’s versehe, sagt sie mir, sie will mehr.« Er atmete tief durch. Er konnte immer noch nicht glauben, was gerade passiert war. »Sie hat mir gesagt, sie liebt mich.«
»Und was hast du gesagt?«
»Ich weiß nicht. Es war ein echter Schock für mich und kam aus heiterem Himmel.« Er wandte sich um und schaute seinen Vater an, und ihm wurde bewusst, dass das erst das zweite Mal war, dass die beiden über etwas anderes als Angeln, Autos und das Wetter sprachen. Das erste Mal, seit er im Haus seiner Mutter die Schneekugel hatte fallen lassen. Er runzelte die Stirn. »Ich glaub, ich hab gesagt, dass ich sie mag.« Was
auch stimmte. Er mochte sie lieber als jede andere Frau, mit der er je zusammen war.
»Autsch.« Leo zuckte zusammen.
»Was ist daran falsch? Ich mag sie wirklich.« Er mochte alles an ihr. Er legte gern die Hand in ihr Kreuz, wenn sie einen Raum betraten. Er mochte den Duft ihres Halses und den Klang ihres Lachens. Es gefiel ihm sogar, dass alle sie für ein so liebes Mädchen hielten und nur er ihre unanständigen Gedanken kannte. Und was hatte er davon, dass er sie mochte? Sie hatte ihm einen Tritt in den Hintern verpasst.
»Ich fürchte, deine Mutter und ich waren dir keine guten Vorbilder, was Liebe, Ehe und Beziehungen betrifft.«
»Das stimmt.« Doch so gern er seine Probleme seinen Eltern in die Schuhe schieben wollte, er war fast sechsunddreißig, und es hatte etwas Jämmerliches, wenn man
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