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Frische Spur nach 70 Jahren

Frische Spur nach 70 Jahren

Titel: Frische Spur nach 70 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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erforderlich,
dass du das Kommissbrot hergibst. Der Wagen muss auf die Bühne. Der
blutbefleckte, von Kugeln durchlöcherte Originalwagen. Da kriegen doch die in
den ersten Reihen ‘ne Gänsehaut.“
    „Fang nicht wieder damit an,
Rudi! Es geht nicht. Ich habe den Hanomag nicht gekauft, sondern klauen lassen.
Es könnten sich Fragen ergeben, wenn der plötzlich auf der Bühne steht — als
Gegenstand der Dekoration. Und dann sehe ich alt aus. Außerdem benutzen die
beiden nützlichen Idioten, die jetzt die Verbrechen nachahmen, keinen Hanomag,
sondern ihr Motorrad.“
    Rudi Stempel jaulte auf. So
heftig und plötzlich, dass Tim und Gaby zurück zuckten.
    „Wolfhard! Das wäre
künstlerisch ein völliger Fehlgriff. Die Nachahmer aktualisieren zwar unseren
Stoff, machen unbeabsichtigt Werbung für unser Musical, führen vor, welche
schaurige Ausstrahlung das Räuberpärchen von damals besitzt — aber unser
Musical erzählt die alte Geschichte, die von 1928/29! Nur die, Wolfhard. Die
ist romantisch! Nostalgisch! Die ist angesagt! Die Nachahmer sind nur
Nachahmer, durchgeknallte Psychos. Außerdem werden sie nicht hingerichtet, wenn
man sie erwischt, sondern eingewiesen in ‘ne Klapsmühle. Und danach kriegen sie
Sicherheitsverwahrung, weil solche Verrücktheit nicht heilbar ist — denke ich
mir. Deshalb, Wolfhard!, halten wir uns an Beate und Claus von 1928/29 fest und
nicht an Klaus Nocke und Barbara Schollgast-Öhmke, seiner bescheuerten
Freundin. Nein! Es muss der Hanomag sein, nicht das Motorrad!“
    Im Musikzimmer herrschte für
einen Moment Stille. Auch TKKG hielten den Atem an.
    Klaus Nocke! Also doch! Was
wussten Stempel und Schniele-Rillmann? Offenbar waren sie bestens informiert,
kannten sogar den weiblichen Teil von B & C-Aktuell: Klaus Nockes
Freundin. Für Tim und seine Freunde war der Name neu. Nie gehört, sagte ihnen
nichts. Aber man kann ja nicht jedermanns Freundin kennen — zumal in einer
Millionenstadt, wo es inzwischen wegen dem Trend zum Single-Dasein mehr
Freundinnen als Ehefrauen gibt.
    „Hm“, sagte Wolfhard. „Dann
muss ich den Wagen nachträglich kaufen.“
    „Warum nicht?! Ist die Sache
doch wert!“
    „Mit dem Belgier werde ich
sicherlich einig.“
    „Gute Idee!“
    „Meine beste Idee, Rudi, war,
dass ich Erwin Frühtrunk auf die Fährte der Nachahmer gesetzt habe. Gleich nach
deren zweiten Verbrechen, dem Überfall auf dem Moorstätter Friedhof bei der
Beerdigung. Erwin ist zwar ein absolutes Charakterschwein, aber als
Privatdetektiv einsame Spitze. Er war jahrelang in New York, sagt er, hat dort
von den Kollegen gelernt und kennt keine Rücksicht und keine Tabus. Nur Geld
interessiert ihn. Und das kriegt er reichlich von mir. Er hat einfach die
richtige Nase. Und wer die hat, dem hilft auch mal der Zufall. Jedenfalls war
Erwin zur Stelle, als Klaus und Barbara in den Flussauen die Reiterin
überfallen und das Pferd verunstaltet haben.“
    „Und dann ist er ihnen gefolgt,
so war’s doch?“
    „Klar! Unbemerkt natürlich. Hat
festgestellt, wer die beiden sind. Seitdem beobachten wir sie — Erwin vor Ort,
ich als Auftraggeber, du als Nutznießer.“
    „Als Künstler, bitte! Ich
brauche diesen ganzen Nervenkitzel zur Inspiration, als geistige Anregung.“
    „Klar doch, Rudi!“
    „Heute war das mit dem
Kindergarten?“
    „Ja. So ähnlich jedenfalls.
Erwin hat vorhin nur kurz angerufen. Er will herkommen — müsste eigentlich
schon da sein — und ausführlich berichten. Dann kriegst du deine Inspiration
gleich brühwarm.“
    „Kann uns nur nützlich sein.
Aber das mit den Tagebüchern, Wolfhard, hätte dir eher einfallen können.“
    „Rudi, ich wusste es doch
nicht. Die Information ist auch für mich brandneu. Dass diese Beate damals
Tagebücher geschrieben hat, ist in der allgemeinen Aufregung untergegangen.
Nicht mal die Presse hat sich dafür interessiert. Und jetzt — da bin ich mir
sicher — wissen nur wir davon. Und vermutlich Hilde Nocke, bei der die Dinger
sind. Und Leo, der sie uns besorgen wird.“
    „Leo Schachner?“
    Offenbar bestätigte das
Wolfhard mit einem Nicken. Dann begann Rudi wieder zu klimpern.
    TKKG sahen einander an, waren
geplättet, konnten nur staunen und sich fragen, wie viele Formen von geistigen Sockenschüssen,
Systemabstürzen, Schüsselsprüngen und Kleinhirn-Warzen es denn gibt. B
& C-Aktuell, dachte Tim, verüben Verbrechen nach Vorlage. Und dieses
Trio weiß davon, beobachtet alles, duldet es und erhofft sich davon

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