Frische Spur nach 70 Jahren
immer
wieder beleben. Gräueltaten aus der Vergangenheit verlieren nie ihren
Schrecken.
20. B
& C als Musical?
Eine dicke Hummel summte
vorbei. TKKG standen jetzt vor der Garage und beratschlagten. Sollten sie
warten auf Frischy — oder Schniele-Rillmann gleich auf die Pelle rücken?
Bevor eine Entscheidung fiel,
ertönte die Klaviermusik. Jemand spielte. Die Töne kamen aus der Villa und
klangen gedämpft, was aber nicht daran lag, dass der Piano-Player sanft auf
schwarze und weiße Tasten drückte — nein, er hämmerte. Indes — der Raum, in dem
gespielt wurde, lag offenbar nach hinten hinaus und die Töne mussten einen
langen, kurvigen Weg zurücklegen bis hierher.
Zweifellos stand ein Fenster
offen.
Die Melodie, eine Art Vorspiel,
klang flott und in seinem Stil losgelöst von kurzlebigem Zeitgeschmack. Es
klang nicht gerade wie Volksmusik oder Schlager, dennoch so, dass man’s auch in
20 oder 30 Jahren würde anhören können ohne Anfälle von Brechreiz und
Ohrensausen.
Wie auf Kommando streckten sich
vier Arme aus und vier Finger zeigten auf den Lamborghini.
Es bedurfte keiner Worte. Tim
und seine Freunde wussten, wer da spielte.
Trotzdem! Klößchen sprach’s
aus.
„Das ist garantiert Rudi
Stempel.“
Als müsste das noch bewiesen
werden, ertönte im nächsten Moment Gesang. Ein Countertenor ( Altist )
ließ sich hören.
Die Stimme klang irgendwie
unmännlich, fand Tim. Und mit dem Schmalz an den Tönen hätte man in der
TKKG-Internatsschule sämtliche Frühstückssemmeln bestreichen können. Aber das
war nicht die Gefühlsbombe, die in diesem Moment gezündet wurde, sondern der
Text war’s.
„Beaaaaate uhund Claus — sind
heut nicht zu Haus“, sang Rudi Stempel tenörig, „sie plündern und rauauauauben
— und köpfen die Tauauauauben... jaja... haha... sie feiern und prrrrasssen —
und sind nicht zu fassen... jaja... tralala...“ Dann wurde Rudis Stimme dumpf
und unheilvoll. „Die Poholizei sucht immer vergebens — das Pärchen aber!!! —
freut sich des Lebens.“
TKKG blieb die Spucke weg. Das
konnte man auf den Gesichtern lesen.
„Ich glaube, ich höre nicht
richtig“, meinte Gaby.
Tim war schon in Bewegung.
„Kommt! Das hören wir uns aus der Nähe an. Da läuft was. Wahnsinn! Liedprobe!
Wir lauschen. Das heimliche Belauschen ist immer noch die beste Methode für
frische Infos.“
Rudi hieb noch in die Tasten, sang
aber nicht mehr, was TKKG als angenehm verbuchten.
Sie liefen an der Schmalseite
der Villa entlang. Die Klaviermusik wies ihnen den Weg. Eine riesige Villa
war’s. Im Landhaus-Stil, mit mehreren Trakten, Anbauten, Patio undundund...
Hinter der Rückfront dehnte
sich ein Golfrasen aus bis zu Büschen und wuchtigen Altbäumen. Hier waren
Terrasse, Swimmingpool, eine Freiluft-Kegelbahn, die offensichtlich nicht
benutzt wurde, und etwas abseits ein hochumzäunter Tennisplatz. Sandplatz,
natürlich. Der Court sah aus wie ein Rübenacker. Fürs Filzballgekloppe
interessierte sich Wolfhard anscheinend nicht. Vielleicht hatten seine Eltern
gespielt, wann immer ihnen die Bestattungen Zeit dafür ließen.
Tim lugte um die Hausecke. Eins
der rückseitigen Parterrefenster — fast so breit wie ein Scheunentor — war
geöffnet. In den Raum konnte er nicht sehen — dazu hätte er sich zu weit
vorwagen müssen. Aber jeder Ton, der dort gespielt wurde, und jedes Wort, das
dort fiel, waren nun aus kurzer Entfernung zu vernehmen.
Mit einem opulenten
Schlussakkord endete das Klavierspiel.
Stille.
TKKG standen hinter der Ecke.
Tim hatte sich vorn postiert, Gaby drängte sich auf gleiche Höhe neben ihn.
Karl und Klößchen hatten Plätze in der zweiten Reihe, konnten aber trotzdem
alles verstehen.
„Nun?“, fragte der Sänger,
zweifellos Rudi Stempel. „Wie ist es?“
„Klasse!“
Tim erkannte die Stimme von
Wolfhard Schniele-Rillmann und flüsterte Gaby diese Erkenntnis ins Ohr.
„Einfach Klasse, Rudi! Ich bin
ganz weg. Unser Musical wird ein Welthit.“
„Die andern Nummern kennst du
ja schon. Dies wird die Titelmelodie, natürlich instrumentalisiere ich das noch
für großes Orchester.“
„Klasse!“
„Ja. Und Kasse werden wir auch
machen. Wir stellen alle anderen Musicals in den Schatten: Cats, Miss Saigon,
River Boat, Les Miserables — was du willst. Beate und Claus, das Räuberpaar —
wird das erfolgreichste Musical der Welt. Ein Hit. Ein nicht endender Hit. Und
wir schaufeln die Kohle ein, Wolfhard. Allerdings ist unbedingt
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