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Frische Spur nach 70 Jahren

Frische Spur nach 70 Jahren

Titel: Frische Spur nach 70 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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werblichen
Nutzen — ohne an das Leid und Elend zu denken, das dabei für Menschen und Tiere
entsteht. Unfasslich! Aber dieses Musical wird niemals auf die Bühne kommen —
es sei denn, es wird im Knast aufgeführt. Und dann ganz bestimmt ohne Hanomag
und mit fünftklassiger Besetzung, nämlich aus den Reihen der Häftlinge.

21.
Countdown im Musikzimmer
     
    Das Motorrad kroch. Es war eine
schwere Maschine, aber sie fuhr langsam, sehr langsam. Der Motor grummelte nur
wie ein mittlerer Bauchschmerz.
    Immerhin — in der Stille der
Niederzoller Allee fiel sogar das auf. Tim — der seine Blicke ebenso wie seine
Horchantennen überall hat — merkte auf und wandte sich um zur Straße, wo die
Einfahrt immer noch offen stand.
    War Frischy im Anflug? Kam der
Kommissar mit der Harley? Dann würde sich zumindest der Abtransport zweier
Festgenommener schwierig gestalten.
    Die Villa stand nicht genau
parallel zur Straße, sondern war bei der Erbauung vom Architekten exakt nach
Südwesten ausgerichtet worden — jedenfalls mit der Rückfront; und dort spielte
sich ja das sportive Privatleben ab.
    Also konnten TKKG aus ihrer
Position die Einfahrt nicht sehen. Dort hielt jetzt die Maschine — und wurde
auf der Straße geparkt.
    Rudi Stempel und
Schniele-Rillmann hörten nichts. Beide ergaben sich der Musik, der eine
ausübend, der andere lauschend.
    Tim machte einen langen Schritt
zur Seite und spähte an der vorderen Hausecke vorbei zur Einfahrt.
    Die Luft blieb ihm weg. Denn
die beiden, die dort auftauchten, hatten ihre Helme abgenommen und nahten im
Laufschritt.
    Klaus Nocke lief voran, wurde
vom frontalen Sonnenschein geblendet und bemerkte Tim nicht, zerrte aber im
Laufen eine Pistole aus der Tasche der Motorradkluft.
    Die Frau, die hinter ihm lief
und die Rolle der modernen Beate übernommen hatte, war jung, mindestens einen
Kopf kleiner als Klaus und zeigte im — ansonsten nicht unhübschen — Gesicht die
Miene einer Giftnatter: Barbara Schollgast-Öhmke. Auch sie fuchtelte mit einer
Schusswaffe.
    „Vorsicht!“ Tim zischelte und
sprang hinter die Ecke zurück. „B & C kommen. Sind bewaffnet. Ich
glaube, jetzt ist Zoff angesagt für Wolfhard und Co.“
    Die Frage, wie das
Räuberpärchen in die Villa eindringen wollte — durch den Haupteingang oder
hinten herum — erübrigte sich. Denn in der Villa ertönte der melodische
Türglocken-Gong.
    Die Klaviermusik verstummte.
    „Das ist Erwin“, sagte
Wolfhard. „Ich lasse ihn rein.“
    Schritte entfernten sich,
klangen erst gedämpft auf tiefem Teppich, waren dann deutlich zu vernehmen auf
Parkettboden.
    Rudi klimperte wieder, eher
lustlos.
    Stille. Der Hauseingang war
weit. Was sich dort abspielte, war hier nicht zu hören — es sei denn, der
Hausherr hätte hysterisches Schreien angefangen. Aber vermutlich hielt man ihm
gleich eine Pistolenmündung an Bauch oder Schläfe und befahl, keinen Laut von
sich zu geben.
    Dann kamen sie zu dritt ins
Klavierzimmer und Rudi fielen vor Schreck die Hände von den Tasten.
    „Was... so... soll...“, weiter
kam er nicht mit seinem Stottern, denn Barbara piepste, nein, kreischte einen
Befehl.
    „Schnauze!“, schrie sie. „Und
keine Bewegung!“
    Wieder Stille. Offenbar
genossen B & C, dass sie alles im Griff hatten. Den Überrumpelten
flatterte vermutlich das Hemd.
    Klößchen zappelte, machte mit
Gesten deutlich, dass er die Stimme der Räuberin wieder erkenne.
    „Da staunt ihr, was?“ Klaus
Nocke schien mit dem Kiefer zu mahlen. „Ihr kommt euch wohl schlau vor? Hah! Da
lachen wir doch nur. Denn wir sind genau so gut wie Beate und Claus — so
clever, so tollkühn, so entschlossen, so cool, so hart und trotzdem so
verzweifelt an dieser bekackten Welt. Noch einmal wollen wir euch zeigen, was
ihr alle wert seid — so wie unsere großen Vorbilder es damals taten. Nur dass
wir nicht aufhören werden nach der 22. Tat, nein! Endlos werden wir weiter
machen. Endlos. Aber ihr Mieslinge seid eine Gefahr für uns.“
    „Ich... ich weiß nicht, was Sie
meinen“, stammelte Wolfhard.
    Er klang jetzt nicht wie ein
Crime-Sammler, sondern eher wie ein Sammler von Bibelsprüchen und
Heiligenbildern.
    „Nein?“, raunzte Klaus Nocke.
„Gleich werdet ihr behaupten, dass ihr uns gar nicht kennt, was? Aussichtslos,
mein Freund! Wir wissen alles. Erwin Frühtrunk, dieser so genannte Plattfuß,
hat uns unterschätzt. Der dachte wohl, wir wären blind auf sämtlichen Augen. Er
hat sich zu nah an uns heran gewagt. Vorhin haben wir ihn

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