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Frische Spur nach 70 Jahren

Frische Spur nach 70 Jahren

Titel: Frische Spur nach 70 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Neuauflage der Verbrechen inszeniert? O Gooooooott!“ Klößchen brüllte
förmlich. „Dann ist ja Tante Hilde die neue Beate!!! Und das in ihrem Alter!“
    „Niemals!“, schrie Karl, als
hätte ihn Klößchen persönlich beleidigt. „Zieh Tante Hilde da nicht rein. Sie
hat nichts damit zu tun! Sie nicht! Sie ist Kunstmalerin.“
    „Schreit nicht so!“, sagte Tim.
„Wir sind in einem Lärmschutz-Viertel.“
    Wieder drehte er sich um, was
er schon mehrmals getan hatte. Aber Kommissar Frischlinger, Frischy genannt,
war noch nicht in Sicht. Er hatte versprochen, dass er so bald wie möglich
nachkommen werde — zu Schniele-Rillmann, aber sicherlich mit Verspätung, weil
im Moment nicht ein einziger Dienstwagen zur Verfügung stehe und Frischys
Dauer-Freundin Caroline mit dem Privatwagen zum Einkaufen unterwegs sei.
    Irgendwie erwartete Tim, dass
jeden Moment ein Taxi auftauche — und sich der Kommissar eine abgestempelte
Quittung als Beleg geben ließ.
    „Da ist es!“, sagte Karl. Er
hatte aufgepasst.
    Niederzoller Allee 66. Keine
schlechte Adresse.
    Auf der Innenseite des
ehrwürdigen Speerspitzen-Zauns wuchs immergrüne Hecke. Die Einfahrt stand
offen, war breit und betoniert. Auf dem Platz vor der Villa hätte man ein
Zirkuszelt mit vier Masten aufstellen können. Aber dort standen nur Wolfhards
Porsche, den Tim schon gesehen hatte, und ein bonbonfarbener Lamborghini. Diese
schweineteure Rennsemmel war stadtbekannt, gehörte aber nicht dem
Crime-Sammler, sondern einem cleveren Typ mit Namen Rudi Stempel. Der war Musik-Verleger,
Komponist, Veranstalter von Musicals und Konzert-Tourneen in einer Person.
    Auf den beiden Türen des
Sportwagens stand der Werbespruch des Unternehmens in geschwungenen Buchstaben: Rudi Stempel tönt immer...
    TKKG stiegen von ihren Bikes
und schoben sie durch die Einfahrt.
    Als sie auf dem Grundstück
waren, sah Tim die Garage: ein flaches, aber sehr breites Gebäude — nicht höher
als die Hecke am Zaun. Die Garage besaß drei schwenkbare Doppeltüren, bot also
Platz für mindestens sechs Wagen.
    Die mittlere Tür war geöffnet.
TKKG konnten ins Innere der Garage sehen. Sie dehnte sich nach hinten aus, war
tiefer als man vermutet hätte. Und in dieser Abteilung stand — der Hanomag, das
rollende Kommissbrot, der Kleinwagen, den B & C Ende der Zwanzigerjahre
benutzt hatten.
    „Das ist er“, sagte Karl
überflüssiger Weise.
    „Im Originalzustand“, meinte
Klößchen.
    „Schniele-Rillmann stellt ihn
hier regelrecht aus“, wunderte sich Gaby, „obwohl er den Wagen hat stehlen
lassen.“
    Die Bikes wurden vor dem linken
Garagentor geparkt und TKKG betraten die Garage.
    „Vor 70 Jahren flogen die
Kugeln“, sagte Tim fast ehrfürchtig und umrundete das Fahrzeug.
    Es war klein, gebuckelt, eng
und unbequem — nach heutigen Maßstäben ein Witz. Aber es war gut erhalten — und
die zahlreichen Einschusslöcher verliehen dem ,Kommissbrot’ eine schauerliche
Bedeutung. Klößchen prüfte, ob die Löcher echt sind, und steckte den
Zeigefinger hinein.
    „Kaum zu glauben“, meinte er,
„dass die beiden nicht kurz und klein geschossen wurden.“ Er spähte durch die Seitenscheibe.
„Die Sitze sind auch durchlöchert — aber nur am Rand.“
    In diesem Moment klingelte das
Handy in Karls City-Rucksack und wurde hastig herausgenommen.
    Karl meldete sich.
    „Ja, Tante Hilde...“ Er
lauschte, grunzte mehrfach vor Schreck und Empörung, brummelte und bedankte
sich schließlich für den Anruf. „Danke für die Info, Tante Hilde. Inzwischen
ist schon eine Menge passiert. Das sage ich dir später, ja? Dann rufe ich dich
an. Im Moment sind wir nämlich wieder total im Feindgebiet. Bis nachher, tschüs.“
    Er schaltete aus. „Ihr ist
eingefallen, dass schon morgen Verbrechen Nummer 13 ansteht. Ein besonders
verwerfliches. Damit haben B & C damals ihre Sympathie-Quote absolut
in den Keller gefahren. Diese Irren haben nämlich eine im Freiland weidende
Schafherde in einen Bahntunnel getrieben. An die 30 Muttertiere, Böcke und
Lämmer. Wenig später raste ein Schnellzug heran. Ein Schlachtfest. Kein Tier
hat überlebt. Und die beiden Irren hatten am Tunneleingang einen Briefumschlag
an die Mauer geklebt — mit ihrer B & C-Visitenkarte drin.“
    „O nein!“ Gaby war leichenblass
geworden und hielt die Hände vors Gesicht.
    Tim und Klößchen brachten kein
Wort hervor.
    Das Gemetzel liegt 70 Jahre
zurück, dachte Tim. Aber in Phantasie und Erinnerung kann man Entsetzen

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