Frischluftkur: Roman (German Edition)
Rasen mähten musste. Tina schaudert kurz, als Petra neben ihr Here's to you, Mrs Robinson summt.
Doch dann der Einbruch: Kein Gebot für Hans-Heinrich! Seine Frau hat alle im Saal vorher eingeschüchtert, es solle ja keine bieten. Wer es doch wagen würde, könne Hans-Heinrichs Goldfischteich höchst persönlich austrinken. Inklusive Fische. Die sehen wirklich nicht sehr lecker aus, so komische japanische mit Flecken. Eine ernst zu nehmende Drohung von einer ernst zu nehmenden Frau.
Monique preist den Mann an wie einen Aal auf dem Hamburger Fischmarkt, aber da ist nichts zu machen. Hans-Heinrich schleicht geknickt von der Bühne.
Das wird mir auch passieren , denkt Zitterkalle. Na, wenigstens bin ich nicht der Einzige.
Walter und Helmut wird es auch ganz mulmig. Okay , denkt Walter, es ist nicht fair, dass Hans-Heinrich überhaupt mitgemacht hat, aber so schlimm hätte es nun auch nicht kommen müssen. Vielleicht ist die Stimmung im Saal jetzt hinüber? Vielleicht ist das Geld alle? Die Nachfrage komplett zum Erliegen gekommen? Vielleicht sind alle Damen versorgt?
»Der Nächste bitte!«, ruft Monique, als wäre sie Arzthelferin. Helmut, der jetzt dran ist, fühlt sich auch wie beim Zahnarzt. Das heißt: Er glaubt, er fühlt sich wie beim Zahnarzt, denn wie man sich beim Zahnarzt wirklich fühlt, das hat er verdrängt. Vor lauter Angst ist er seit elf Jahren nicht mehr dort gewesen.
»Lila, der letzte Versuch!«, grölt eine Dame aus dem Publikum.
»Violett ist gerade total im Trend«, verkündet Monique, denn mit Trends kennt sie sich aus. Glaubt sie zumindest.
»Das ist Aubergine«, sagt Helmut, der sich zur Flucht nach vorn entschieden hat. »Man muss ja mit der Mode gehen. Ich bin übrigens metrosexuell.«
Ein Raunen geht durch die Menge. »Wat is der? Schwuuuuuul?«, fragen ein paar Damen nach, die es genau wissen wollen. »Nicht noch einer!«
»Nee, der will in Paris in der U-Bahn poppen«, ruft eine andere.
»David Beckham ist mein modisches Vorbild«, verkündet Helmut. Er wedelt mit der Hand, damit das kleine Bettelarmband unter der Manschette hervorrutscht und verlockend klimpert. Wenn schon, denn schon , denkt er und überlegt, ob er seine Socken und Schuhe ausziehen soll, um seine frisch manikürten Zehennägel zu zeigen. Doch er erinnert sich noch rechtzeitig, dass Walter ja einen Striptease plant und in dessen Revier will er nicht wildern.
Um Irritationen auszuräumen sagt Helmut dann noch: »Aber wichtiger als jedes Styling ist natürlich eins: Ich liebe Frauen. Ich verehre sie!«
Das scheint zu funktionieren. Ein Kavalier alter Schule, wie man ihn aus dem Fernsehen kennt, so einen will man haben. Die ersten Gebote gehen ein. Zehn, zwanzig, fünfzig – Monique kommt kaum mit dem Aufrufen nach.
Ganz hinten im Publikum steht eine Frau mit Trenchcoat, einem um den Kopf geschlungenen Seidentuch und Sonnenbrille. Sie sieht aus, als wolle sie aussehen wie aus einem alten Hollywoodfilm. Irgendwas zwischen Grace Kelly und Doris Day, nur nicht ganz getroffen, aber die Absicht ist klar zu erkennen. Im Gegensatz zu der Frau, die ist überhaupt nicht zu erkennen.
»Wer ist die Fremde?«, fragt Petra erstaunt.
»Die treibt die Preise in die Höhe! So eine Frechheit! Und will sich unsere Männer unter den Nagel reißen!«, motzt Hanna.
»Wieso, deiner sitzt doch schön brav zuhause und poliert dein Silberbesteck«, stichelt Tina.
»Ja«, seufzt Hanna.
»Pssst«, zischt Petra, die jetzt wirklich kein Interesse an Hannas Mann hat, sondern lieber die Versteigerung verfolgen will.
»... und verkauft!« Monique klopft aufgeregt mit dem Hämmerchen auf dem Stehpult herum. »Für fünfhundertachtzig Euro an die Dame da hinten! Das ist ein sensationeller Preis!« Bei sensationeller kiekst Moniques Stimme vor lauter Aufregung. Helmut streicht sich lässig durchs auberginefarbene Haar. Eigentlich , denkt er, habe ich so etwas ja geahnt. Der Höchstpreis, geboten von einer geheimnisvollen Fremden, ja klar, so und nicht anders muss es sein. Das bin ich einfach wert.
Was die Frau von ihm will, das fragt er sich nicht. Helmut ist nicht so fürs Hintergründige.
***
Wilma schwitzt in ihrem Kittel. Nicht, weil es so heiß ist, sondern weil die Aufregung sie fast um den Verstand bringt. Ihr sorgfältig aufgetragenes Ausgeh-Make-up sieht schon leicht lädiert aus, die Kurzhaar-Lockenfrisur streckt kleine Tentakeln gen Saaldecke. Ihr wird angst und bange: Solche Preise! Damit hat sie nicht gerechnet. Sie hat
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