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Frischluftkur: Roman (German Edition)

Frischluftkur: Roman (German Edition)

Titel: Frischluftkur: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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nur dreihundert Euro dabei. Wenn das jetzt nicht reicht? Sie hat doch alles so schön eingefädelt! Und jetzt wird sie vielleicht kurz vor dem Ziel scheitern? Überholt werden von einer dahergelaufenen Fremden, die auf elegant und großstädtisch macht und mit dem Geld nur so um sich wirft? Nein, das darf nicht sein! Wilma hat es satt, jeden Tag, wenn sie ihren geliebten Gartenzaunposten verlässt, allein ins Haus zu gehen und sich dort mit der Zwei-Tassen-Espresso-Maschine von Tchibo nur eine Tasse Cappuccino zuzubereiten. Das ist doch Verschwendung! Auch fernsehen könnte man zu zweit besser. Ganz davon abgesehen, dass eine Zukunft mit Kalle nicht nur praktische Vorteile hat, sondern auch etwas ist, von dem sie seit dem letzten Winter immer wieder heimlich träumt.
    Wilma ärgert sich. Sie hätte doch mehr Geld einstecken sollen. Vielleicht könnte sie kurz nach Hause rennen und noch ein paar Bündel holen? Aber dann liefe sie Gefahr, ihren Kandidaten zu verpassen. Nein, das kann sie nicht riskieren. Jetzt muss sie es drauf ankommen lassen. Nervös tastet sie nach ihrer Kette, die sie immer unter dem Kittel trägt. Ein Erbstück von ihrer Oma, ein goldener, mit kleinen Diamanten besetzter Glücksbringer.
    ***
    Hinter der Bühne zupft Walter sein Outfit zurecht: Eine Mischung aus Hasenkostüm (lange Ohren aus Pappe auf dem Kopf, Woll-Pompon am Gesäß) und Trainingsanzug, darunter der Fuchsschwanz, den er mit einer selbst ausgetüftelten Wäschegummikonstruktion befestigt hat. Er ist ziemlich froh, dass Helmut schon weg ist. Der hätte sich bestimmt über ihn lustig gemacht. Dabei hat er sich bei diesem Kostüm wirklich etwas gedacht. Es variiert das alte Thema Wolf im Schafspelz: Fuchs im Hasenkostüm. Außen harmlos, aber innen ganz wild. Er wird den Frauen auf allen Meta-Ebenen signalisieren, dass er – jenseits seines Gesichts – etwas zu bieten hat. Und er ist sicher, dass sie ihn verstehen werden. Aber ob sich eine findet, die bereit ist, ebenso viel für ihn zu bezahlen wie für Helmut? Fünfhundertachtzig Euro. Wahnsinn! Im Geiste geht Walter noch mal seine Choreografie durch. Und jetzt los! Mit federnden Schritten springt er auf die Bühne – und wieder zurück. Er hat seinen Ghettoblaster vergessen! Den holt er schnell. Dann hüpft er wieder auf die andere Seite des Vorhangs.
    Monique ist zu verblüfft, um ihn anzusagen. Sie wehrt sich auch nicht, als Walter ihr das Mikrofon aus der Hand nimmt und selbstbewusst hineinröhrt: »Nun, Ladies and Gentlemen, sehen sie eine Darbietung von Walter the Bunny. I am what I am! « Dann startet er den Ghettoblaster mit diesem Song, den er gewählt hat, um seine Individualität zu unterstreichen. Leise murmelt er sein Beruhigungsmantra: »Chippendales, Chippendales, Chippendales. Ich bin so gut wie alle Chippendales zusammen!«
    ***
    Susi schnauft. Diesmal nicht vor Anstrengung, sondern vor Aufregung. Der Mann ist ja ein Sahneschnittchen! Das ist ihr vorher noch nie aufgefallen. Überhaupt sind ihr Männer noch nie so wirklich aufgefallen. Schokolade war immer interessanter. Susi ist extrem futterneidisch, der Gedanke, etwas Essbares mit jemandem teilen zu müssen, ist ihr unerträglich, genauso wie die Vorstellung, jemandem uneingeschränkten Zugang zu ihrem Kühlschrank und ihrem Keksversteck einzuräumen. Aber das wird in diesem Moment nebensächlich. Außerdem sieht dieser Mann nicht aus, als würde er viel essen. Das macht ihn für Susi noch anziehender.
    »Was soll denn das werden?«, kichert Petra.
    »Walter, die Resterampe-Visage, kämpft mit vollem Körpereinsatz«, lästert Tina. »Na, wenn sich das mal lohnt.«
    ***
    Für Walter hat es sich schon gelohnt. Er geht total in seiner Bühnenshow auf. Das Publikum, das helle Licht, der mitreißende Rhythmus der Musik, der treibende Gesang, seine enthemmten Bewegungen, er ist wie im Rausch. Unzählige Augenpaare, die auf ihm ruhen, die ihn ausziehen ... nein, das macht er ja selbst. Lässig kickt er die Schuhe in die Ecke und streift die Hasenohren ab. Das ist der Höhepunkt seines Daseins. Zack , runter mit dem T-Shirt, das er vorher mit der Schere perforiert hat. Nie war er glücklicher. Ratsch , weg mit der Hose, die an den Seiten nur von einer Reihe Druckknöpfen gehalten wurde. Es ist, als hätte er nur auf diesen einen Moment hingelebt, als kristallisiere sich der Sinn des Universums im Scheinwerferlicht auf seiner blanken Haut. Das Fuchsschwanz-Suspensorium umspielt locker sein imposantes

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