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Frischluftkur: Roman (German Edition)

Frischluftkur: Roman (German Edition)

Titel: Frischluftkur: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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Fortpflanzungsorgan. Da fällt ihm auf: Er hat noch Socken an.
    Verdammt: Was nun?
    Wie zieht man tanzend Socken aus?
    Bei den Proben hatte Walter nie Socken an, ein schwerer Fehler, wie sich jetzt herausstellt. Er tänzelt auf einem Bein, greift dabei mit der rechten Hand an den erhobenen linken Fuß ...und gerät ins Taumeln. Er eiert hüpfend über die Bühne, zerrt am widerspenstigen Baumwollsocken, der mit seinem Fuß verschweißt zu sein scheint. Dabei fällt er gegen Monique, die sich ihr Mikrofon zurückerobert hat, und reißt sie mit zu Boden. Das Mikro verfängt sich zunächst in der Fuchsschwanz-Gummibandkonstruktion, löst sich dann aber ganz plötzlich. Es gibt ein schnalzendes Geräusch, der Fuchsschwanz wird ins Publikum geschleudert und landet direkt in Susis Gesicht, die daraufhin ohnmächtig wird. (Erst der Duft von heißer Schokolade wird sie wieder erwachen lassen, jedoch viel später.)
    Walters Selbstbewusstsein liegt genau so am Boden wie er. Und wie Monique, die trotzdem mit der Versteigerung weiter macht, als wäre nichts gewesen. »Wer will ihn haben, diesen Draufgänger mit dem bewiesenermaßen umwerfenden Charme?«, fragt sie mit einem vernichtenden Seitenblick auf Walter und rückt ihr Krönchen zurecht.
    Das Publikum kreischt erheitert. Die Show hat alle begeistert. Aber warum jetzt noch bieten? Der Kerl hat doch alles gegeben, besser kann es ja gar nicht werden. Und wer will schon jemanden zuhause haben, der mit einem Fuchsschwanz herumwedelt? Nee, nee.
    Doch eine bietet: die geheimnisvolle Fremde. Sie bekommt Walter the Bunny zum Mindestgebot von fünf Euro. Helmut, der Hochpreisige, grinst schadenfroh. Walter, ein Meister des positiven Denkens, beschließt, dass ihm dieser Teil der Versteigerung egal ist. Er hat seinen Auftritt gehabt, er hat es genossen. Das war der schönste Moment in seinem Leben, ab jetzt kann es nur noch bergab gehen, aber das verdrängt er, er wähnt sich im Geiste noch auf dem Gipfel, auf der Bühne, die er in seinen Träumen nie wieder verlassen wird.
    ***
    Wilma ist alarmiert. Diese Fremde scheint sich besonders für die nicht mehr ganz so junge Generation zu interessieren. Ihr geht es anscheinend nicht um blendendes Aussehen oder oberflächliche Attraktion. Sie scheint an etwas anderem interessiert zu sein. An was bloß?
    Das fragen sich Petra, Tina, Marlies und Hanna auch.
    »Mir kommt die irgendwie bekannt vor«, sagt Petra.
    »Wahrscheinlich, weil du immerzu Schwarzweißfilme guckst. Darin sehen die doch alle so aus«, vermutet Tina. »Und dann sitzen die immer im Auto und drehen wie verrückt am Steuer herum. Obwohl sie geradeaus fahren, das heißt, eigentlich fahren sie nicht, sondern im Hintergrund läuft ein Film, damit es im Film aussieht, als würden sie fahren ...«
    »Du redest vielleicht immer einen Quatsch«, bemerkt Hanna spitz.
    ***
    Monique kündigt den nächsten Kandidaten an: »Einen donnernden Applaus für ... Zitterkalle!« Doch niemand betritt die Bühne. Monique ruft und ruft, ihre Stimme wird ein wenig schriller. Dann hat sie die Faxen dicke: »Ich geh ihn mal eben holen«, sagt sie und verschwindet.
    Zitterkalle sitzt wie festgenagelt auf der Bank im Backstagebereich.
    »Hey, was ist jetzt? Du bist dran!«, keift Monique ihn an. Zitterkalle rührt sich nicht.
    »Hey, was ist jetzt? Du bist dran!«, kreischt Monique.
    Zitterkalle würde gerne sein Äußeres nach innen stülpen und sich ganz in sich verkriechen. Er versucht, sich mit Hilfe mentaler Kräfte in eine Schnecke, Schildkröte, einen Igel, eine Auster oder wenigstens eine Miesmuschel zu verwandeln, aber so sehr er sich auch anstrengt, es will ihm nicht gelingen.
    Monique packt seine Hand mit ihrem patentierten Schraubstockgriff – das ist gar nicht so einfach, die zu erwischen, denn sie zittert ziemlich wild hin und her – und zerrt Zitterkalle auf die Bühne.
    Dort fängt er vor Aufregung an, mit den Zähnen zu klappern. Das Geräusch wird durch das Mikrofon, das Monique ihm hinhält, verstärkt. Es klingt, als würde eine spanische Flamencotruppe ihre Kastagnetten klappern lassen.
    ***
    Wilmas Herzschlag tanzt im Rhythmus dieses Klanges. Noch nie war sie so aufgeregt! Nicht bei der Tanzstunde, nicht bei ihrer Konfirmation, nicht einmal, als ihr verstorbener Ehemann ihr den Heiratsantrag machte. (Damals war er natürlich noch lebendig, was man ihm aber oft, vor allem, wenn er schlief, nicht ansah.) Sie versucht sich vorzustellen, sie sei eine Würgeschlange. Die sehen im

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