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Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser

Titel: Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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gingen zurück zum BMW und stiegen ein. Wir fuhren langsam am Mercedes vorbei. Ein Typ wischte mit einem weißen Lappen an der Frontscheibe. Es war der Dicke vom BND. Da konnte er lange wischen.
    Kurz danach bekam ich meinen obligatorischen Lachanfall. Das war ja eben wie in die Fresse hauen. Mein Gelächter wirkte ansteckend auf sie. Sie fuhr in eine Parklücke. Sie konnte nicht mehr fahren vor Lachen.
    »Mann, Mann«, prustete sie.
    Ich hüpfte wie eine Bachstelze wippend auf den Zehenspitzen. Heiter gestimmt fuhren wir weiter und aßen die Schokolade.
    »Wegen mir könnten wir durchfahren«, sagte ich, »ans Mittelmeer in die Provence. Da blüht gerade der Lavendel.«
    In Kassel mussten wir tanken. Es war sieben Uhr morgens. Die Autobahn war voll mit Urlaubern, die in den Süden fuhren. Ich wollte schon immer mal nach Triest. Danach, dachte ich. Wenn alles vorbei war. Ich kaufte noch eine Tafel Schokolade. Wir gingen zurück zum Auto, nachdem sie bezahlt hatte. Sie wollte nicht, dass ich bezahle.
    »Soll ich mal fahren?«
    »Haben Sie einen Führerschein?«
    Ich stieg wieder auf meiner Seite ein. Gegen 10 Uhr näherten wir uns Saarbrücken. An der Raststätte Waldmohr machten wir eine Pause. Ich hatte Hunger und holte mir Rühreier mit einer Frikadelle und Pommes mit viel Ketchup. Sie aß nichts und trank nur einen Kaffee.
    »Morgens soll man Kohlehydrate essen. Keine Eier oder Frikadellen. Hafer, Kleie, geschrotetes Brot. Biogenetische Trennkost. Mittags, was man will. Abends Eiweiß.«
    Sie nahm meine Gabel und piekste ein Stück von der Frikadelle auf.
    »Viel zu fett.«
    Dann angelte sie sich noch zwei von den Pommes.
    »Na ja.«
    Ich schob den Teller beiseite. Mir reichte es. Eben träumte ich noch von der Provence.
    »Was machen wir denn als Erstes in Saarbrücken?«, fragte sie.
    »Woher kannten Sie Nemec eigentlich?«, fragte ich zurück.
    »Wir studierten zusammen Medizin. In Berlin. Danach ging er zurück nach Bosnien. Er hat den Krieg da miterlebt. Wir trafen uns Jahre später zufällig auf einem Kongress. Vor drei Jahren etwa war das. Da war er schon in Saarbrücken. Wir hielten regelmäßig Kontakt. Er hatte sich auf Traumata spezialisiert. Kriegsfolgen, Massaker, Folter, alles, was dazu gehört.«
    »Das ist doch auch Ihr Spezialgebiet?«
    »Ja.«
    Sie wurde einsilbig. Eine Busladung grell angezogener Touristen strömte in das Restaurant. Fettwülste waberten in zu engen Shorts. Eine Frau kreischte, als ein Mann ihr das Minikleid über die prallen Backen hob, die nackt und ausladend weiß waren. Ein Stringtanga zerschnitt das Hinterteil in zwei Hälften wie einen Schinken.
    »Du Lustmolch«, wieherte sie. »Du Lustmolch.«
    Der Mann tätschelte ihr das Hinterteil.
    »Warts nur ab. Wirst schon sehen.«
    »Haben Sie eine Adresse von Nemec?«
    »Seine Privatadresse in Saarbrücken. In Schlabbach ist seine Praxis. Die werden wir finden.«
    »Wo ist das in Saarbrücken?«
    Sie holte ein Notizbüchlein aus ihrer Stofftasche und schlug es auf.
    »In der Katholisch-Kirch-Straße. Nummer 17.«
    Ich wusste es, dass ein Filmvorführer in einem Winkel meines Schädels hauste. Er warf den Katholisch-Kirch-Straße-Stummfilm an. Es war die Straße, in der ich aufgewachsen war, an deren Anfang mein Mutterhaus stand, schräg gegenüber der Basilika, und durch die ich als Knabe wie eine Bachstelze hüpfte. Verfolgt vom Brausen der Orgel und dem St. Johanner Kirchenchor, bei dem auch meine Mutter gesungen hatte. In dieser Basilika legte sie auch bei dem Priester die Beichte ab, der in meinem Stummfilm, gedreht durch das Schlüsselloch, Hand an ihren Po legte. Sie sah nach der Beichte häufig zerzaust aus, sah ich deutlich in dem Film, der in meinem Schädel lief. Sie zupfte an ihren Kleidern hier und zupfte da. Ihre Wangen waren hektisch gerötet. Sie schien überdreht. Ein ums andere Mal fuhr sie sich mit beiden Händen durch das volle, hellblonde Haar und schüttelte es.
    »Mein Gott, mein Gott«, ächzte sie. Dass Gott ihr bei der Beichte so zusetzte, dachte ich als Knabe. Gott war bestimmt anstrengend. Ihr Blick, den sie auf mich warf, schien mich aufzusaugen, so intensiv war er. Das war der Moment für die Cognäcchen. Nach der Beichte kam die Flasche auf den Tisch und ich musste mich ihr gegenüber hinsetzen. Alles nur Fantasie, dachte ich, wer bläst dir diesen Mist ins Hirn? Es waren aber keine Fantasien. Ich hörte es ganz genau, wie der Cognac in den Schwenker gluckerte.
    »Waren Sie schon mal in

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