Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser
Morgen würde ich ins Saarland fahren. Vielleicht auch erst übermorgen. Am liebsten gar nicht. Wie ernst musste ich die Drohung des BND nehmen, mir den Mord an Nardini unterzujubeln? Ziemlich ernst. Ich hatte schlechte Karten. Ich Idiot. Ich hätte im ›Esplanade‹ mit Gezeter und mit Zetermordio schreiend zur Zimmerfrau laufen sollen. »Ein Mord, ein Mord!«, hätte ich kreischen müssen. Auf der Stelle. Völlig geschockt und von der Rolle hätte ich mich gebärden müssen. In so kurzer Zeit hätte ich den nie erschießen können. Zudem gab es keine Pistole weit und breit. Ich Esel zupfte dem Toten stattdessen ein rotes Haar von der Schulter. Jede DNA-Analyse hätte mich freigesprochen! Ich hätte es da liegen lassen sollen! Aber nein! Ich musste zupfen. Weil mir so sehr nach der Rothaarigen war. Jetzt war es zu spät. Ich wollte zahlen.
»Ich zahl für dich«, sagte Paul. Ich erhob mich und wünschte allen eine gute Nacht. Ich ging nach Hause und sofort ins Bett. Ich fahre doch erst übermorgen, dachte ich, morgen mache ich noch mal richtig blau. Auf einen Tag kommt es auch nicht mehr an, war ich mir sicher. Der erste Juni war in drei Tagen. Dann war die Hochzeit in dem Fort. Spätestens dann musste ich dort sein. Wer da wohl heiratete? Ich schlief ein.
Es war ein Dauerklingeln. Mitten in der Nacht. Wer klingelte denn da so? Ich schaute auf das Handy. Das hatte ich abgestellt. Meine Wanduhr schlug. Zwei Mal. zwei Uhr also war es. Der Dauerton nervte. Ich drückte auf den Türöffner. Wer klingelte denn da um diese Uhrzeit? Bestimmt ein paar Besoffene, die sich über meinen teuren Wein hermachen wollten. Paul, Peter, Petra, weiß der Teufel wer. Wegen mir. Warum nicht. Die Schritte, die die Treppe hochstiegen, klangen eher nach einer Einzelperson. Dann bog sie um den letzten Treppenabsatz. Die Radfahrerin. Frau Vogelweide. Mit einer bunten Stofftasche in der Hand. Das kam mir doch bekannt vor. › Help me, I need you ‹ , würde sie bestimmt sagen. Ich stand da in Shorts.
»Ziehen Sie sich an«, sagte sie, bevor sie in der Wohnung war. »Wir fahren jetzt nach Saarbrücken.«
»Vielleicht kommen Sie erst mal rein.«
Sie trat ein.
»Der Tote, der bei Schlabbach im Auto gefunden wurde, von dem Sie aus dem Fernsehen erzählt haben, war Nemec. Ich habe bei der Polizei in Schlabbach angerufen. Intuition. Ich sagte, ich sei Journalistin und wolle über den Unfall berichten. Sie bestätigten den Namen. Es sei gar kein Unfall, hätte ich gehört. Da wurden sie sehr einsilbig. Der Unfall würde noch untersucht, sagten sie.«
»Hatte er eine Frau?«
»Keine Ahnung.«
»Und wieso müssen wir jetzt auf der Stelle losfahren? Reicht nicht morgen früh?«, fragte ich.
»Weil ich hellwach bin! Weil ich aufgewühlt bin! Weil ich nicht warten will! Weil ich nicht ewig Zeit habe! Weil ich wissen will, was los ist! Das wollen Sie doch auch!« Ihre Augen funkelten.
»Nur keine Panik. Gehen Sie mal in die Küche. Ich komme gleich.«
Widerstand war zwecklos. Die würde auch ohne mich fahren. Ich ging ins Schlafzimmer und zog mich an. In eine Tasche warf ich ein paar Kleider. Ich hörte die Kaffeemühle. Sie machte Kaffee. Als ich in die Küche kam, goss sie gerade das Wasser auf. Sie war praktisch veranlagt. Bestimmt ging sie campen. Oder machte Kanu-Bootswanderungen rund um Berlin. Ich ging zurück ins Badezimmer und holte meinen Waschbeutel, den ich in die Tasche warf. Ich war reisefertig. Scheckkarten, Ausweis und Führerschein hatte ich wie immer in der Hosentasche. Ich überlegte. Ich ging in mein Arbeitszimmer und stellte den PC an. Im Internet suchte ich Fort Hackenberg. Sie kam mit zwei Tassen Kaffee rein.
»Sie nehmen bestimmt Milch und Zucker.«
»Stimmt.«
Fort Hackenberg erschien auf dem Bildschirm. Ich druckte die Informationen aus. Ich konnte sie später im Auto lesen.
»Fort Hackenberg. Da soll am 01. Juni eine Hochzeit stattfinden. Habe ich von der Rothaarigen. Keine Ahnung, was die Hochzeit mit allem zu tun hat.«
Wir tranken den Kaffee und ich spülte die Tassen und die French-Pressing-Maschine. Sie war ungeduldig und stand schon an der geöffneten Wohnungstür.
»Langsam«, sagte ich. »Da ist noch was. Setzen Sie sich noch einen Moment.«
Sie schloss die Türe und blieb da stehen.
»Ja?«
»Ich bin ein gesuchter Mörder. Der BND hat mich in der Klemme. Ich habe einem Killer ein Loch in den Kopf geschossen.«
»Wirklich?«
Ich klärte sie mit ein paar Sätzen auf. Erzählte, was die letzten
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