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Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser

Titel: Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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der jetzt in dem Sessel saß mit dem Loch in der Stirn. Der Film war in Schwarz-Weiß gedreht und von miserabler Bildqualität. Es waren die typischen Aufnahmen einer Überwachungskamera. Ich hatte in dem Hotelzimmer keine Überwachungskamera gesehen. Es war auch nicht üblich, in einem Luxushotel wie dem ›Esplanade‹ die Gäste mit Überwachungskameras zu traktieren. In dem Film sah man die mitlaufende Uhr. Vom Öffnen der Tür bis zum Sessel, zu dem ganz offensichtlich ich den toten Nardini schleifte, waren keine drei Minuten vergangen. Es war zum Totlachen. Ich war zum fraglichen Zeitpunkt nicht an der Türe. Der ganze dargestellte Vorgang hatte nicht stattgefunden. Ich hatte keine Ahnung, wie Nardini in den Sessel gelangte und wer ihm eine Kugel in die Stirn verpasst hatte. Es handelte sich um eine Fälschung. Aber es gab hervorragende Fälschungen. Darüber machte ich mir keine Illusionen. Computeranimation war auch für den BND kein Fremdwort. Ein paar Aufnahmen von mir, ein paar Aufnahmen von Nardini, ein paar Aufnahmen von der Hotelsuite, und jeder geschickte Animateur bastelte eine perfekte Mordszene aus dem Material.
    »Wem wollen Sie denn mit diesem Blockbuster imponieren?«
    »Oh«, sagte mein Gegenüber, »das ist noch längst nicht alles. Wir fanden Fasern von Ihrer wunderschönen Jacke, die Sie ja immer noch tragen, und DNA-Material von Ihnen auf der Schulter von Nardini. Ihr Haar auf Nardinis Jacke genügt, Ihre Anwesenheit am fraglichen Tatort nachzuweisen. Ohne jede Haarspalterei war es Ihr Haar. Haarig, haarig.«
    Er lachte wie ein greiser Ziegenbock über seinen Witz. Man sollte ihn an Hirten ausleihen. Zum Vertreiben der Ziegen aus den Winterställen.
    »Es gab übrigens eine Überwachungskamera in der Suite, in der Nardini von Ihnen so gewaltsam aus dem Leben gerissen wurde. Warum sie zu dem fraglichen Zeitpunkt in Betrieb war, wissen wir nicht. Hauptsache, sie lief. Da hat ganz einfach jemand auf den falschen Knopf gedrückt. Da wollte jemand an der Rezeption per Video einen Blick in die Garage werfen, um zu prüfen, wer da gerade um Einlass klingelte, wurde durch einen anderen Gast abgelenkt, ja, natürlich, abgelenkt, drückte dabei den falschen Knopf, passiert in einem großen Hotel ständig. So könnte es gelaufen sein. Bedauerlich. Für Sie, meine ich.«
    Er spreizte seine langen Finger und schaute verliebt auf seine Fingernägel.
    »Sie hatten in Berlin schon keine große Chance, heil aus der Sache rauszukommen. Die Rothaarige haben Sie auch noch nicht gefunden. Wir geben langsam die Hoffnung auf, dass Sie sie überhaupt noch finden. Sie hängen völlig in der Scheiße. Oder sehen Sie das nicht so?«
    Ich sah gar nichts. Ich sah nur diese aalglatte Visage vor mir ohne jede Schramme. Man müsste dem Menschen die Finger brechen. Einzeln. Ihm die gebrochenen Finger abschneiden. Ihm die blank polierten Nägel jedes einzelnen Fingers in die Haut bohren und durch das Gesicht ziehen. Tiefe, blutende Schrammen platzten auf, die ihn für immer verunstalten würden.
    »Ich werte Ihr Schweigen als Zustimmung. Ich gebe Ihnen noch eine Chance. Eine neue. Sie haben doch diesen Priester kennengelernt. Im Bunker. Sie sehen, wir sind immer dabei. Ich will es kurz machen. Sie werden uns diesen Priester, wie soll ich sagen, zuführen. Wir nehmen ihn in Empfang, unbemerkt vom Rest der Welt. Sie haben genau drei Tage Zeit. Diese Zeit ist ausreichend. Dann muss die Sache erledigt sein.«
    Wenn er wollte, konnte er mir mächtig Dampf machen. Er hatte eine Menge Trümpfe in der Hand. Nardini hing mir am Hals wie ein Mühlstein, der mich unter Wasser zog.
    Da saß dieser Lackaffe vor mir und wollte mich als Entführer dingen. Das war wirklich absurd. »Ich werde Ihnen niemanden zuführen, Sie Arschloch.«
    »Oh, der Clou kommt erst noch. Wir wollen auch diesen kleinen Tankstellenräuber, diesen Thomas Bosic, samt Schwester. Auch das soll unbemerkt über die Bühne gehen. Am liebsten hätten wir dieses Trio als ein Paket. Zur gleichen Zeit am selben Ort.« Er rieb sich die Hände. »Sie müssen sie ja nicht verschnürt abliefern als Einschreibesendung. Einfache Zustellung genügt.« Er lachte meckernd und öffnete die Schiebetür einen Spalt. »Auch wenn Sie meinen, zu träumen. Ich versichere Ihnen, es ist kein Traum. Bringen Sie uns den Diener Gottes und die beiden Zöglinge, und die Sache ist erledigt.«
    »Für wen erledigt?«
    »Das ist in der Tat die große Frage.«
    »Das ist gar keine große Frage.

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