Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser
Etwas bei Ihnen ist schief gelaufen. So schief, dass Sie Nemec umbringen ließen. Durch Mlasec, der mit Ihnen kooperiert. Er hat Nemec das Genick gebrochen. Dann haben wir den toten Nardini. Da hängen Sie auch mit drin. Von Martha Klein fehlt jede Spur. Was meine Wenigkeit betrifft, haben Sie sich enorm angestrengt, Belastungsmaterial beizuschaffen, um mich unter Druck zu setzen. Sie basteln einen Videofilm zusammen, der nichts zeigt, was wirklich passierte. Reine Fiktion. Wofür all diese Mühe? Weil sie etwas vertuschen wollen. Sie bewegen sich auf dem Niveau Ihres großen Bruders in den USA, der CIA. Ohne Hemmungen verhören Sie im Ausland Gefolterte. Zum Schutze der Freiheit. Mit Ihrer Kenntnis werden Menschen über deutsche Flughäfen in geheime Foltergefängnisse verschleppt. Und jetzt verlangen Sie von mir, dass ich Menschen entführe. Was passiert mit ihnen? Was passiert mit mir? Ich werde den Priester fragen, was er so Geheimnisvolles weiß, dass ich ihn entführen soll.«
Ich lamentierte wie ein altes Fischweib. Während meiner Suada hatte der Mensch neben mir nur ein verächtliches Lächeln um den Mund.
»Jetzt haben Sie sich ja ausgeweint. Mein lieber Neuhaus, außer mir hat Ihnen kein Mensch zugehört. Ihre Rede an die Welt war völlig umsonst. Das Belastungsmaterial gegen Sie reicht für die Generalbundesanwaltschaft mehrfach aus, einen Haftbefehl gegen Sie zu erwirken. Jeder Haftrichter wird dem nachkommen. Ich erwarte die Fracht in spätestens drei Tagen. Sie werden bis dahin von mir hören.« Er lachte wieder wie ein Ziegenbock. Als scheuerte Schmirgelpapier über seine Stimmbänder. Es erinnerte mich entfernt an das Hüsteln des Priesters.
»Ich wollte es Ihnen eigentlich ersparen. Es ist Ihre Privatsache. Aber Ihre Widerspenstigkeit hat mich eines Besseren belehrt. Hören Sie sich doch mal das an.«
Er holte aus einer Aktentasche ein kleines Tonaufnahmegerät und drückte auf › On ‹ . Ich hörte mich. Ich sagte: Ich habe schon einmal einen Mord begangen. Dann hörte ich die Stimme von Rosi. Kann ich etwas für Sie tun? Es war eindeutig die Situation im Café, als Rosi mich in einen Drogenrausch versetzt hatte. In meinem Gedächtnis war diese Situation gelöscht. Ich konnte mich an nichts erinnern. Ich erschauerte. Was noch hatte ich gesagt? Was wusste Barbara? Ich erinnerte mich an den Lieferwagen, der in der Nacht abfuhr. An die glimmende Kippe im Wagen. Ich hatte an den Tangotänzer gedacht. In einem Abhörwagen mit Richtmikrofonen, die auf hunderten von Metern jedes Gespräch belauschen und mitschneiden konnten. Sie hatten mich belauscht. Uns alle. Sie überwachten uns rund um die Uhr. Sie wussten, worüber wir sprachen und was wir planten.
»Sie haben nach Ihrer eigenen Aussage also schon einmal einen Mord begangen. Interessant. Ich will das nicht weiter kommentieren. Ich lasse es unkommentiert im Raum stehen. Es würde Sie vernichten, wenn ich es kommentierte. Sie hätten keine Chance. Sie haben noch viel mehr gesagt als nur dieses Sätzchen. Jeder Satz eine Gewehrkugel in Ihre Brust. Ich sage nur so viel: Sie sind ja völlig fertig. Ein Krüppelchen. Jetzt haben wir zusammen ein kleines Geheimnis!«
Wieder meckerte er.
Ich durfte aussteigen. Ich glaubte, mich in einem Fritz-Neuhaus-007-Film zu bewegen. Ich hielt Ausschau nach einem Fritz-Neuhaus-Playgirl, das mir gleich im knappen Bikini mit einem Schlachtbeil am Hüftgürtel und einer Pumpgun im Anschlag begegnen würde.
Ich sollte den Priester entführen. Die beiden Jugendlichen. Sie würden kurzen Prozess mit ihnen machen. Müßig, darüber zu spekulieren warum. Es war so gut wie ein Killerauftrag. Liefern Sie das Trio aus. Sie können die Sache aber auch schnell erledigen.
Vielleicht hätte ich den Priester zu meiner Zeit umbringen sollen. Früher. Aus dem Schrank stürzen und ihn erschlagen. Samt meiner Mutter. Oder ihn im Beichtstuhl massakrieren. Dann hätte ich es hinter mir. Jetzt hatte ich es vor mir. Stattdessen hatte ich mich in einen Schrank verkrochen, wo mich Mottenkugeln besoffen machten.
Was machte den Priester so gefährlich, dass ich ihn kidnappen sollte? Was wusste er? Der Entführungsauftrag erschien mir außerhalb jeder Realität. Die Zeit löste sich auf. Wo bewegte ich mich? War heute gestern? Was berührte sich da? Holte der Knabe im Schrank in einem Wettrennen den Mann von heute ein? Ich bewegte mich in einem System korrespondierender Röhren, die parallel zueinander verliefen. In welcher Röhre war
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