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Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser

Titel: Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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mit dämpfenden Medikamenten, das sich seine Hochzeit bestimmt anders vorgestellt hatte, und das alles wird arrangiert von Mlasec in Anwesenheit eines Chirurgen, dann heißt das für mich, dass der Chirurg der Braut die Niere rausbastelt und dem Bräutigam wieder rein. Gegen eine satte Provision für Mlasec als Nierenbeschaffer und gegen ein hohes Operationshonorar für den Operateur, wobei zu klären wäre, ob dieser privat bezahlt wird vom Patienten oder wie er eventuell sonst abrechnet. In unserem unüberschaubaren, gigantischen Kassensystem haben wir alle Optionen offen für Betrug und Korruption. Da lässt sich ganz schnell jede Schweinerei gewinnbringend unauffällig arrangieren.«
    Der Gedanke war ungeheuerlich. Ich sprach ihn trotzdem aus. »Das Flüchtlingslager als Organersatzteillager, findet ihr das zu abwegig?«
    Die Bedienung servierte das dritte Blech Zwiebelkuchen. »Das war der letzte Kuchen. Danach gibt es keine Bestellungen mehr.« Ich schaute auf den frischen, dampfenden Zwiebelkuchen, diese Speckgrübchen, die in der Crème fraîche schwammen und die Zwiebelstückchen mit Fettschlieren überzogen. Der Boden war wieder wunderbar dünn und knusprig braun, geradezu zum Reinbeißen. Die Zähne kauten, zermalmten den Zwiebelkuchen, der Brei rutschte über das Gaumensegel die Speiseröhre hinunter in den Magen, überall waren Skalpelle, die ritsch ratsch alles rausschnitten, es aus dem Menschen zerrten, es in Schalen legten, um all diese Innereien mit dem Zwiebelkuchenbrei in bereits geöffnete Leiber zu versenken und da festzunähen. Ich hatte plötzlich ein ganz ekliges Gefühl im Bauch bei Betrachtung des Zwiebelkuchens, sodass ich ihn von mir weg über den Tisch schob. Immer wieder entluden sich meine Gedanken in solchen Fressfantasien, wenn es um unangenehme Themen ging. Die Ledrige aus dem ›Lentz‹, die bei meinem Anblick mit ihren knöchernen Fingern immer wieder werbend die Buschtrommel der Psychoanalyse schlug, hatte natürlich auch für diese Erscheinung eine Erklärung.
    »Fritz, du kannst nicht richtig sublimieren. Das ist das Animalische in dir. Du wirst nie ein richtiger Kulturmensch. Du bist eher ein Kannibale. Du bist gedanklich im Hier und Jetzt, in unserer Gegenwart einfach noch nicht angekommen.«
    Das war der Moment, in dem ich mir am Tresen bei Siggi immer kostenlos eine Bulette abholte, um dann kauend das Lokal zu verlassen. Beim Kauen stellte ich mir vor, wie ein Feuer und Rauch speiender Lindwurm im ›Lentz‹ die Ledrige verschlang, aus dem ›Lentz‹ flog, um die Ledrige draußen heftig hustend wieder rauszukotzen, als sei ihm von ihr trotz des Feuers übel geworden.
    Martin und Torsten teilten meinen Ekel nicht und machten sich über den Zwiebelkuchen her.
    »Wir müssen herausfinden, ob es mehrere solche Organspenden gab.«
    »Asyl gegen Niere, hatten wir schon mal. Wir müssen prüfen, wie viele Hochzeiten es in letzter Zeit mit Frauen aus dem Lager gab.«
    »Aber selbst wenn alles so ist«, wandte ich ein, »was wollt ihr denn machen? Wenn eine Frau einen Mann heiratet und ihm eine Niere spendet, ist das völlig legal. Warum soll die Ehefrau ihrem Mann keine Niere spenden?«
    »Es sei denn, wir weisen nach, dass sie unter Zwang gehandelt hat.«
    Mit diesem Satz vernichtete Martin das letzte Stück Zwiebelkuchen.
    »Da war ein Filmteam von › Der Sender ‹ .«
    »Ach«, lachte Martin, »das sind Marc Poulet und Betty von Nettelburg. Das ist ein Zweipersonenunternehmen. Sie senden nur ein paar Stunden am Tag. Von Forbach in Frankreich aus. Vor allem Werbung. Eine Sendung von ihnen heißt ›Pikantes aus der Region‹. Klatsch und Tratsch. Recht erfolgreich. In Straßburg hat Poulet noch einen Kunstverlag. Er ist spezialisiert auf das Strichermilieu. Vor Jahren organisierte er eine Ausstellung über Stricher. Die meisten Fotos kamen aus der Umgebung vom Lager und den Saaranlagen in Saarbrücken. Er ist da selber Gast. Die Ausstellung war natürlich ein Skandal. Warum die Jungen aus dem Lager auf den Strich gehen, danach fragte niemand.«
    Wir verabredeten uns für den nächsten Morgen im Café.
    »Die Fronten sind abgesteckt.«
    Torsten verschwand in der Dunkelheit.
    Martin war sofort zu Hause. Der Eingang zu seiner Wohnung lag direkt hinter dem Gasthaus.
    »Gute Nacht, Fritz.«
    »Halt die Ohren steif.«
    Der Markt war kaum mehr belebt. Die Gäste verließen die Lokale. Ein paar Gestalten hingen noch an den Tresen für einen letzten Absacker. Falter umgaukelten die

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