Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser
mehr reingeschaut in die Berichte.«
Die adrette Kellnerin brachte meinen Riesling und den Zwiebelkuchen.
»Hast du was von Torsten Meyer gehört?«
»Nein. Aber der wollte noch kommen.«
Der Zwiebelkuchen war köstlich. Ganz dünner, krosser Boden, und die Zwiebeln hafteten in einer nicht zu üppigen Specksoße. Ich rollte ein Stück zusammen. »Greif zu«, forderte ich Martin auf. Der nahm ein Stück. Wir kauten.
»Sag mal, Martin, kennst du einen Chefarzt namens Hippchen?«
»Wie kommst du denn auf den?«
Ich erzählte ihm von unserem Besuch im Fort Hackenberg. Von Mlasec, von seiner Attacke auf das Mädchen, von dem seltsamen Filmteam und von Hippchen.
»Hippchen hat eine eigene Klinik. Bei Saarlouis. Er ist spezialisiert auf Schönheitsoperationen. Die kommen aus der ganzen Welt, um sich ihre Hintern und Hälse richten zu lassen. Er schwimmt in Geld.«
»Hat er was mit dem Flüchtlingslager zu tun?«
Martin stutzte. Er nahm sich noch ein Stück von dem Zwiebelkuchen.
»Nicht, dass ich wüsste. Wieso fragst du?«
Mein Verdacht war zu vage, als dass ich ihn äußerte.
»Was weißt du über Mlasec?«
»Mlasec? Das ist ein ganz krummer Hund. Aber dem kann man nichts nachweisen. Der kontrolliert den gesamten Straßenstrich im und beim Lager. Jungen wie Frauen. Er arrangiert dubiose Hochzeiten. Junge, hübsche Töchter aus dem Lager werden an sehr merkwürdige Männer regelrecht verhökert. Freiwillig heiraten die Mädchen nicht. Amtlich mit Stempel vom Standesamt. Eingedeutschte Türken, Bosnier, Albaner greifen da zu. Im Lager kriegen sie, was sie suchen. Nach alter Sitte. Da müssen sie nicht extra nach Anatolien fahren. Alles ganz legal. Mlasec arrangiert das gegen ein saftiges Honorar. Aber weise ihm das mal nach. Die Leute reden nicht. Sie sind total eingeschüchtert. Da halten auch noch andere die Hand auf. Von der Ausländerbehörde. Vom Standesamt. Die mischen kräftig mit.«
Er schwieg und schaute auf die Tischplatte. Trommelte mit den Fingern.
»Es kommt im Lager immer wieder zu Bandenbildungen. Automatenknacker, Überfälle, Taschendiebstähle. Die jungen Kerle lungern den ganzen Tag beschäftigungslos herum. Sie dürfen nicht arbeiten. Bekommen keine Ausbildung. Sie langweilen sich. Sie sind für den Arsch. Überflüssig. Ausschussware. Das ist eine ganz eigene Welt. Ganz weit weg von uns. Irgendwann knallt es. Für die sind wir alle Feinde.«
»Um auf Rosi zurückzukommen: Wenn tatsächlich ein Unbekannter die Daten gelöscht hat, was heißt das?«
»Das heißt, dass die Aktion abgebrochen wurde. Da hat jemand kalte Füße bekommen.«
»Aha?«
»Es hat noch mehr psychotische Ausraster gegeben im Umkreis von Schlabbach. Nach dem gleichen aggressiven Muster. Drei Personen hat es erwischt. Zwei sind noch im Krankenhaus in Behandlung, eine Frau wurde entlassen.«
Ich nahm das letzte Stück Zwiebelkuchen. Martin pickte die letzten Krümel vom Blech.
»Ich habe bei den Rettungsdiensten angerufen. Die Rettungswagen haben die drei Leute an drei verschiedenen Orten in drei verschiedenen Lokalen abgeholt. Sie haben mir die Namen der Lokale gegeben. In jedem der Lokale gab es mehrere Bedienungen zum fraglichen Zeitpunkt. Die muss ich mir noch vorknöpfen.«
Das sah alles nach harter Arbeit aus. Ich bestellte noch eine Karaffe Riesling und ein weiteres Blech Zwiebelkuchen. Das war die richtige Maßnahme. Torsten Meyer tauchte auf. Er hatte Hunger und war fröhlicher Dinge.
»Unn?«
»Ei jo.«
»Saa was.«
»Hunger.«
»Der Zwiebelkuchen kommt gleich.«
»Ei dann. Also. Ich habe im LKA meine Aussage widerrufen, die neue protokollieren lassen und Anzeige gegen unbekannt wegen Mordes an Nemec erstattet. Mehr können wir nicht machen. Jetzt müssen wir einfach mal abwarten, was passiert. Ich fürchte, nicht allzu viel.«
Der Zwiebelkuchen und der Wein kamen. Torsten langte zu. Ich berichtete von der Hochzeit im Bunker, der Attacke von Mlasec auf das Mädchen, der Anwesenheit des Chefarztes und dem Schant am Arm des Bräutigams. Torsten haute sich immer wieder auf die Schenkel. »Ha«, rief er dabei immer wieder aus, »ha«, bis er den Zwiebelkuchen aufgegessen hatte. Er wischte sich die speckigen Finger an der Hose ab.
»Awweile gehts mir besser. Ich brauche ein Bier.«
Er bestellte sich ein Pils. Ich noch ein Blech Zwiebelkuchen. Martin ergriff das Wort.
»Wenn da ein Dialysepatient mit einer kaputten Niere ist und ein blutjunges, sich grämendes Wesen mit verweinten Augen, vollgepumpt
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