Fröhliche Ferien am Meer
Lämmerschur war in vollem Gang, blieb nicht viel Zeit, um über irgend etwas
zu sprechen. Den ganzen Tag lag eine Staubglocke über dem Hof, und der Lärm der
Schafe hörte nicht auf. Die von ihren Lämmern getrennten Mutterschafe erhoben
ihre Stimmen in lautem Wehklagen, und die Lämmer, die die ganze Nacht über in
dem Wollschuppen von ihren Müttern abgesperrt waren, erfüllten die Nacht mit
ihren herzerschütternden Protesten. Stephen arbeitete unermüdlich fünfzehn
Stunden lang, und als er endlich die Lämmer für den nächsten Tag in den Stall
gesperrt hatte, taumelte er in ein heißes Bad und gleich darauf ins Bett.
Mit tödlicher Pünktlichkeit
klopfte er um fünf Uhr an Angelas Tür und brachte ihr eine Tasse Tee mit etwas
Brot und Butter. Sie setzte sich im Bett auf, sah, wie sie meinte, verheerend
aus und machte sich nicht einmal etwas daraus. Kein Wunder, überlegte sie
später, daß er ihr keine Liebeserklärung machte. Wer würde das schon tun, wenn
er sie um fünf Uhr morgens gesehen hatte?
Stephen war hoffnungslos
nüchtern. Kein Bruder hätte unromantischer sagen können: »Fünf Uhr, da ist dein
Tee.« Hatte er wirklich diese sonderbaren Worte auf der Schwelle des Hotels
ausgesprochen — so einen Ort konnte sich nur Stephen aussuchen — oder hatte sie
das alles geträumt? Es war am besten, diese Episode zu vergessen.
Aber natürlich gelang ihr das
nicht, denn im Unterbewußtsein regte sich noch immer die quälende Frage — was
hatte Wyngate Millar an
jenem Abend gesagt? Sehr geschickt und sehr unschuldig in Stephen Zweifel zu
wecken, das hätte seinem Sinn für ziemlich sadistischen Humor entsprochen; und
er hätte bei seiner Abreise schließlich doch das Gefühl gehabt, daß er die
letzte Runde gewonnen hatte.
Sie war an diesem Punkt
angelangt, den sie gewöhnlich erst spät abends nach einem arbeitsreichen Tag
erreichte, und an dem sie dann oft vor Selbstmitleid ein paar Tränen vergoß.
Doch jetzt war keine Zeit, brütend wachzuliegen , wenn
sie aufspringen mußte, sobald der Tee getrunken war. Es gab soviel zu tun.
Maxwell Standish war schon aufgestanden und verrichtete alle möglichen,
langwierigen Arbeiten für Stephen. Aber sie bestand darauf, daß Anna im Bett
blieb, bis es fast sieben Uhr war, Zeit also, fünf hungrigen Männern das
Frühstück zu servieren. Nachdem der Stapel fettigen Geschirrs abgewaschen war,
teilten sie die Arbeit des Tages auf, der für Angela gewöhnlich von
erfrischenden Ritten über die Hügel unterbrochen wurde, wenn Stephen Schafe mustern
oder sie wegbringen mußte. Jetzt lernte sie alles über das Land und das Vieh,
und sie interessierte sich sogar brennend dafür. Auch wenn das nicht der Fall
gewesen wäre, so gab das doch immerhin ein Gesprächsthema.
Nur einmal wurde ihre
Unterhaltung persönlich. Sie hatten mit ihren Pferden einen Moment angehalten,
um die Aussicht auf die Ebene zu genießen, und er sagte ruhig: »Die meisten
Intellektuellen würden sich langweilen, wenn sie so eine Woche verbringen
müßten.«
»Aber ich bin keine
Intellektuelle. Das war ich nie. Ich habe mich immer nur so durchgeschlängelt,
und es war schrecklich anstrengend für mich. Mir wird ganz anders, wenn ich
daran denke.«
»Ist das nicht nur eine
vorübergehende Laune? Das war doch schließlich das Leben, das du gewählt hast,
und es hat dir sehr gut gefallen.«
Wie sollte sie protestieren,
ohne zuviel zu erzählen? Während sie noch zögerte, sagte er plötzlich: »Lieber
Himmel, wir müssen uns beeilen, sonst scheren sie diese Fuhre schon, bevor wir
zurückkommen«, und mit diesen Worten galoppierte er den Hügel hinunter.
Sie gab dem Pony einen völlig
unverdienten Klaps mit dem Zügel. Wie froh sie doch war, daß sie nichts gesagt
hatte. Zwei konnten dieses Spiel spielen, und sie würde ihn dabei noch
schlagen.
Am fünften Tag um fünf Uhr war
die Schafschur beendet, und Angela war dankbar, den Lastwagen abfahren zu sehen
und zu wissen, daß sie kein Frühstück mehr zubereiten mußte. Stephen lächelte
sie an und sagte: »Schluß mit dem frühen Aufstehen. Ich fand mich jedesmal
gemein, wenn ich dich weckte. Du sahst wie so ein armes kleines müdes Ding aus,
zusammengerollt und die Nase im Kopfkissen vergraben.«
»Woher wußtest du, wo meine
Nase war? Du hast immer angeklopft und gewartet, bis ich antwortete, wie ein
perfekter Gentleman.«
»Ja, aber ein- oder zweimal
hast du so ein kleines Stöhnen von dir gegeben, das ich für eine Antwort hielt,
und so
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