Frösche: Roman (German Edition)
steckten sie Geldscheine in den roten Gongde-Holzkasten vor der Niangniang-Statue. Diejenigen, die wenig Geld gaben, steckten es hastig hinein, solche, die viel gaben, ließen sich deutlich Zeit, damit andere sie dabei sehen konnten. Nach der Gabe band eine Nonne den Tonkindern ein rotes Band um den Hals.
Zwei Nonnen in grauer Tracht schlugen mit gesenktem Blick und nur einen Spaltbreit geöffneten Augen den Holzfisch. Dabei rezitierten sie heilige Worte. Sie blickten scheinbar nie zur Seite, aber wenn eine Einhundert-Yuan-Banknote im Schlitz des roten Holzkastens verschwand, war der Schlag auf den Holzfisch besonders geräuschvoll.
Wir hatten ursprünglich nicht vorgehabt hierherzukommen und deshalb auch kein Geld bei uns. In ihrer Verlegenheit streifte sich Kleiner Löwe ihren goldenen Ring vom Finger und warf ihn als Spende in den roten Kasten. Der Holzfisch der Nonnen wurde dreimal schnell hintereinander geschlagen und dies sehr laut. Fast so laut wie die Schüsse der Startpistole bei dem Marathonwettkampf, an dem ich als Schuljunge einmal teilgenommen habe.
In den seitlich und hinter der großen Tempelhalle gelegenen Gebetsräumen dieses taoistischen Niangniang-Tempels wurde noch weiteren Verkörperungen der Niangniang 19 gehuldigt: der Feen-Niangniang, der Niangniang der Weitsicht, der Enkel schenkenden Niangniang, der Pocken-Niangniang, der Muttermilch spendenden Niangniang, der verborgenen Niangniang, der Fruchtbarkeit auf dem Acker schenkenden Niangniang, der wehenfördernden Niangniang und der Geburtshilfe-Niangniang. In jedem Gebetsraum kniete der Betende nieder und huldigte; in jedem Raum gab es einen Holzfisch, den eine wachhabende Nonne schlug.
Ich sah nach der Sonne und überredete Kleiner Löwe, doch ein anderes Mal wiederzukommen. Sie wollte eigentlich nicht, nickte aber trotzdem mit dem Kopf. Draußen waren seitlich entlang des Wegs, der zum Ausgang führte, viele kleine Zellen aufgereiht, aus deren Türen die Nonnen, wenn wir vorbeigingen, den Kopf herausstreckten und uns zuriefen:
»Wohltäterin, lassen Sie Ihrem Kind ein Langes-Leben-Schloss machen!«
»Wohltäterin, ziehen Sie Ihrem Kind ein Morgenrötehemdchen über!«
»Wohltäterin, ziehen Sie Ihrem Kind ein Paar Wolkenholzpantinen an!«
Wir hatten kein Geld, deswegen konnten wir uns immer nur entschuldigen. Eilig machten wir uns davon.
Als wir wieder auf der Straße waren, war es gerade Mittagszeit. Mein Cousin rief mich auf dem Handy an, um nachzufragen, warum wir so lange auf uns warten ließen.
In der Stadt herrschte geschäftiges Treiben, wie die Ameisen wuselten hier die Menschen durcheinander, es gab viel zu kaufen und anzuschauen, aber wir hatten keine Zeit mehr, die Auslagen zu betrachten und durch die Geschäfte zu bummeln.
Wir schoben uns nun eilig durch das Menschengewühl. Mein Cousin hatte gesagt, er warte östlich des Festtreibens schon mit dem Auto auf uns, er stehe vor der gerade heute ihre Tore öffnenden Mutter-und-Kind-Klinik, die ein chinesisch-amerikanisches Joint Venture sei.
Als wir dort eintrafen, war die Feier zur Einweihung der Klinik schon vorüber. Die Hülsen und Schnüre der Böllerschlangen lagen noch auf dem Bürgersteig und der Straße herum. In der Eingangshalle hatte man an die fünfzehn Körbe mit Blumen aufgestellt, wie ihre Flügel lüftende Phönixe. Sehr reichhaltig war die Blumenpracht. Im Foyer schwebten zwei große Luftballons, an denen Spruchbänder mit Parolen hingen. Die Architektur war bogenförmig, in Blauweiß gehalten, so dass das Gebäude wirkte, als träte man in zwei ausgebreitete Arme ein, kühle und erhabene Arme. Ein demonstrativer Gegensatz zum Niangniang-Tempel, der westlich der Klinik gelegenen war.
Wir entdeckten meinen Cousin, im westlichen Anzug und mit Lederhalbschuhen, und meine Tante zur gleichen Zeit.
Viele Leute hatten sich aus den Blumengestecken in den Körben einfach ein paar Blumen herausgezogen. Gugu war mitten unter den Eröffnungsgästen. Sie hielt einen Rosenstrauß in den Händen, ein Dutzend frischer weißer, roter und gelber Knospen. Obwohl sie uns den Rücken zuwandte, erkannten wir sie gleich. An ihrem Rücken hätten wir sie unter zehntausend haargenau gleich gekleideten Leuten immer sofort erkannt, ohne auch nur genauer hinsehen zu müssen.
Wir entdeckten bei ihr einen jungen Kerl von vielleicht zwölf, dreizehn Jahren, der ihr ein in weißes Papier eingeschlagenes Paket aushändigte, gleich auf dem Absatz kehrtmachte und sich blitzschnell
Weitere Kostenlose Bücher