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Frösche: Roman (German Edition)

Frösche: Roman (German Edition)

Titel: Frösche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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ich auch gehen.«
    »Du hast es ja echt drauf«, sagte Gugu, »und jetzt verzieh dich! Wenn du den Prozess gewonnen hast, kannst du ja wiederkommen und dein Kind abholen. Aber lass dir gesagt sein, selbst wenn du den Prozess gewinnst, möchte ich deine schriftliche Zusicherung, dass du für dein Kind gut sorgen wirst. Außerdem wirst du mir und Löwe, jedem von uns beiden, fünftausend Yuan für die bisher geleistete Arbeit zahlen müssen.«
    Zum Fest des Herdgottes hatte er Augenbraue noch nicht mitnehmen können. Aber gleich am Tag nach dem Lampionfest am 15. des ersten Mondmonats, als das Chinesische Neujahr vorüber war, kam er, brachte den Beleg über die bezahlte Geldbuße und holte sein Kind ab. Je fünftausend Yuan für geleistete Arbeit war natürlich nur in der Wut dahergeredet gewesen. Gugu verlangte nicht, dass er dafür bezahlte.
    Löwe weinte so heftig, dass sie sich am ganzen Körper verkrampfte, als hätte man ihr das eigen Fleisch und Blut entrissen. Gugu ermahnte sie schroff: »Was heulst du? Wenn du so gern Kinder willst, dann krieg doch selber eins!«
    Löwes Weinen wollte kein Ende nehmen.
    Gugu nahm sie bei der Schulter und sagte in einem Ton, in dem ich sie zuvor nie hatte sprechen hören: »Kind, mein Leben ist gelaufen. Aber ihr habt noch alles vor euch! Hör zu, die Arbeit ist jetzt zweitrangig. Jetzt wirst du erst mal ein Baby bekommen, das du dann zu mir bringst und mir in die Arme legst!«
    Als wir dann in Peking wohnten, versuchten wir’s, denn wir wünschten uns so sehr ein Kind. Aber unglücklicherweise hatte Chen Nase recht gehabt. Löwe konnte keine Kinder bekommen.
    Sie war lieb zu meiner Tochter, aber sie war in all ihren Träumen und Gedanken immer bei Chen Augenbraue.
    Deshalb hatte sie jetzt dieses coole Mischlingstonkind mit der hohen Nase und den Klimperaugen ausgesucht. Es hatte den gleichen Gesichtsausdruck wie Augenbraue. Ich konnte Kleiner Löwe gut verstehen. Sie sprach zu Wang Leber, aber eigentlich galt der Satz mir: »Dieses Kind möchte ich.«
    »Wie viel kostet es?«, fragte ich Leber.
    »Was willst du damit sagen, Renner?« Leber war empört. »Bin ich in deinen Augen so wenig wert, dass du ...«
    »Nun krieg das mal nicht in den falschen Hals, Leber«, beeilte ich mich zu antworten. » Ein Tonkind muss man ehrlich aus ganzem Herzen am roten Faden mit nach Haus nehmen . Wenn ich nicht bezahlen wollte, könnte ich meinen ehrlichen Willen nicht unter Beweis stellen.«
    Leber widersprach: »Erst das Geld führt zur Unehrlichkeit«, und dann leiser: »Das, was du für Geld kaufst, ist nur ein Stück Lehm. Ein Kind gibt es für Geld aber nicht zu kaufen.«
    »Ist ja gut«, sagte ich, »wir wohnen im Uferviertel, Block 9, Nr. 902. Wir freuen uns sehr, wenn du uns besuchen kommst.«
    »Ich komm vorbei. Ich wünsche euch, dass ihr mir bald von einem freudigen Ereignis berichtet!«
    Ich lachte etwas müde und nahm Abschied. Kleiner Löwe zog ich hinter mir her ins Gedränge.
    Wir betraten die große Halle des Niangniang-Tempels.
    Der gusseiserne Räucherdreifuß vor der Tempelhalle war in weißen Qualm gehüllt, intensiver Sandelholzduft erfüllte den Hof. Auf den Tischen mit den Kerzenständern neben dem Räucherdreifuß brannten dicht an dicht zahllose rote Kerzen, die Flammen flackerten und Wachs tränte an den Kerzen herunter.
    Viele Frauen, darunter hochbetagte wie verdorrtes Holz, hübsche wie Hibiskusblüten, die einen schäbig gekleidet, andere mit Gold und Jade behängt, drängten sich auf dem Hof und in der Halle. Hier gab es die unterschiedlichsten Frauen, die alle eines gemeinsam hatten: Sie machten andächtige Gesichter mit einem Schimmer der Hoffnung, während sie, ihr Tonkind auf dem Arm, Räucherwerk und rote Kerzen entzündeten.
    Die große Tempelhalle ragte weit in den Himmel empor. Neunundvierzig weiße Stufen führten zur ihr hinauf. Ich hob den Kopf und schaute mir die geschwungenen Dachvorsprünge an sowie die Inschriftentafel unter der Traufe, auf der vier goldene Schriftzeichen prangten, jedes eine Elle hoch:
    德 育 群 嬰
    »Tugend folgt Kindersegen«. Windspiele mit Glöckchen schmückten die Dachvorsprünge, jeder Windzug schickte ein Bimmeln der Glöckchen in den Tempelhof.
    Treppauf, treppab waren Frauen mit ihren Niwawa-Tonkindern auf dem Arm unterwegs. Ich war Zuschauer in einem Heer von Frauen, als Außenstehender betrachtete ich alles eingehend.
    Eine Zunahme der Fruchtbarkeit: wie erhaben und wie irdisch, unheilig. Wie ernst und wie

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