Frösche: Roman (German Edition)
Trommeln?
AUGENBRAUE: Früher gab es vor der Halle des Yamen immer links und rechts eine große Trommel. Warum macht ihr das nicht? Wie soll das Volk Alarm schlagen, wie soll es jemanden anzeigen, wenn es keine Trommeln mehr gibt?
XIAO WEI: Du meinst die Amtstrommeln in einem feudalistischen Yamen? Wir haben Sozialismus, Trommeln gegen erlittenes Unrecht gibt’s nicht mehr, die sind schon lange abgeschafft.
AUGENBRAUE: In Kaifeng hat man sie stehen lassen.
XIAO WEI: Das hast du wohl in einer Vorabendserie im Fernsehen gesehen? Mit Richter Bao in seinem Amtssitz in Kaifeng.
AUGENBRAUE: Ich möchte zu Richter Bao Qingtian vorgelassen werden.
XIAO WEI: Bürgerin, dies hier ist die Polizeiwache Binhe-Straße, und du befindest dich im Raum für den Publikumsverkehr. Bitte schildere mir dein Problem. Ich fertige ein Protokoll an und erstatte meinem Vorgesetzten Bericht.
AUGENBRAUE: Mein Problem ist groß. Nur Richter Bao Qingtian kann es lösen.
XIAO WEI: Bürgerin, Richter Bao Qingtian ist heute nicht vor Ort. Berichte mir alles, und ich werde dafür sorgen, dass er davon erfährt. Einverstanden?
AUGENBRAUE: Du stehst dafür ein und versprichst es mir?
XIAO WEI: Ich verspreche es.
( zeigt auf den Stuhl ihr gegenüber )
Setz dich bitte.
AUGENBRAUE: Das einfache Volk wagt es nicht, sich zu setzen.
XIAO WEI: Wenn ich möchte, dass du dich setzt, dann setz dich.
AUGENBRAUE: Eure Magd dankt für den Platz.
XIAO WEI: Möchtest du Wasser?
AUGENBRAUE: Eure Magd trinkt jetzt kein Wasser.
XIAO WEI: Bürgerin, wir drehen hier keine Fernsehfolge ab! Wie heißt du?
AUGENBRAUE: Der ursprüngliche Name Eurer Magd ist Chen Augenbraue, aber sie ist tot. Besser gesagt, sie ist zur Hälfte tot, die andere Hälfte lebt noch. Eure Magd weiß ihren Namen nicht mehr.
XIAO WEI: Bürgerin, erlaubst du dir einen Spaß mit mir? Wir befinden uns hier auf der Polizeiwache. Das ist kein Ort für Witze.
AUGENBRAUE: Ursprünglich besaß ich die hübschesten Augen und Augenbrauen in Nordost-Gaomiland, deswegen nannten sie mich Augenbraue. Jetzt habe ich keine Augenbrauen mehr ..., nicht nur die Augenbrauen sind weg.
(schrill)
Auch die Wimpern und mein Haar! Deswegen gibt es keine Berechtigung mehr für den Namen Augenbraue.
XIAO WEI: (begreift plötzlich)
Bürgerin, kannst du einmal deinen Schleier lüften, wenn es dir nichts ausmacht?
AUGENBRAUE: Das kann ich nicht.
XIAO WEI: Ist meine Vermutung richtig, dass du eine Schwerbrandverletzte der Dongli-Plüschtierfabrik bist?
AUGENBRAUE: Du bist wirklich klug.
XIAO WEI: Ich habe damals noch die Polizeischule besucht und habe die Berichterstattung über diesen Brand im Fernsehen mitverfolgt. Wie pechrabenschwarz sind doch die Herzen der Kapitalistenbrut! Ich bemitleide dich aus tiefstem Herzen. Wenn es um die Entschädigung für deine Verletzungen geht, wende dich damit am besten ans Gericht oder ans Parteikomitee oder gleich an die Regierung oder geh zu den Nachrichtenagenturen und Medien.
AUGENBRAUE: Kennst du Richter Bao Qingtian nicht? Nur er kann mir in Bezug auf das, was ich erzähle, einen Rat geben.
XIAO WEI: (missmutig)
Gut, dann erzähl. Ich werde deinen Bericht an meinen Vorgesetzten weitergeben, ich werde mich nach Kräften bemühen.
AUGENBRAUE: Ich will Anzeige erstatten. Sie haben mir mein Kind geraubt.
XIAO WEI: Wer hat dir dein Kind geraubt? Erzähl eins nach dem anderen, lass dir Zeit! Ich denke, du solltest erst einmal ein Glas Wasser trinken, den Gaumen befeuchten, du hast ja einen richtigen Frosch im Hals.
(gießt Augenbraue ein Glas Wasser ein)
AUGENBRAUE: Ich trinke nichts. Ich weiß, dass du die Gelegenheit nutzen wirst, mein Gesicht anzusehen. Ich hasse mein Gesicht, ich hasse es, wenn andere mein Gesicht sehen.
XIAO WEI: Entschuldige vielmals. Daran habe ich gar nicht gedacht.
AUGENBRAUE: Ich habe nur ein einziges Mal in den Spiegel geschaut, seit ich diese Brandverletzungen erlitten habe. Seitdem hasse ich Spiegel. Ich hasse alles, worin der Mensch sein Spiegelbild sieht. Ich wollte eigentlich sofort, nachdem ich die Schulden meines Vaters bezahlt hätte, Selbstmord begehen. Aber jetzt will ich mich nicht mehr umbringen, denn dann müsste doch mein Kind verhungern. Wenn ich mich umbrächte, würde mein Kind zur Waise. Als ich das Weinen meines Kindes hörte ...
(hat einen Frosch im Hals, muss sich räuspern)
wollte ich es sofort stillen, meine Brüste sind vor Milch prall wie Luftballons, sie platzen jeden Moment. Aber sie haben mir mein Kind
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