Frösche: Roman (German Edition)
Wahnsinnigen«, fügte sie ergriffen hinzu. »Ein Wirklichkeit gewordener Albtraum. Huang Qiuya ist eine großartige Ärztin. Selbst wenn sie am Vormittag zusammengeschlagen wurde und stark blutende Kopfverletzungen davongetragen hatte, stand sie am Nachmittag konzentriert im OP und operierte ruhig, sie hatte sich völlig im Griff. Die draußen vor dem Fenster grölenden Menschen konnten sie nicht ablenken. Sie besaß so geschickte Hände! Sie konnte Blumenmuster auf die Bäuche der Frauen sticken ...«, an dieser Stelle begann meine Tante dann jedes Mal zu lachen. So heftig, dass ihr die Tränen kamen.
13
In unserer Großfamilie hatten sich damals die Heirats- und Herzensangelegenheiten meiner Tante zu einer Familienpsychose ausgewachsen. Nicht nur für die Alten waren sie Anlass zu schwerer Besorgnis, selbst die jungen Spunde unter zwanzig machten sich Gedanken. Es gab niemanden, der in ihrer Gegenwart gewagt hätte, an diesem Thema zu rühren. Beim leisesten Versuch explodierte sie.
Im Frühling 1966, es war ein Feiertag, am Vormittag des Totenfests, kamen Gugu und ihre Gehilfin Shizi – wir kannten damals nur ihren Spitznamen Kleiner Löwe –, ein achtzehnjähriges Mädchen mit einem Gesicht voller Pickel, Knubbelnase, weit auseinander stehenden Augen, wirrem Haar, kleinwüchsig, aber üppig bestückt, zu uns ins Dorf, um alle Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter zu erfassen. Nach getaner Arbeit brachte Gugu ihre Gehilfin zum Essen mit zu uns nach Hause.
Es hatte doppelte dünne Pfannkuchenfladen, darin eingewickelt gekochte Eierscheiben, und Schalotten mit scharfer Bohnensauce gegeben. Weil wir mit Essen längst fertig waren, sahen wir den beiden zu.
Kleiner Löwe machte einen schüchternen Eindruck. Sie schlug die Augen nieder und wagte niemanden anzusehen. Ihre vielen Mitesser standen ihr wie rote Bohnen im Gesicht. Mutter schien das Mädchen sehr zu mögen, fragte alles Mögliche, es fehlte nicht viel und sie hätte sich nach ihren Heiratsplänen erkundigt.
»Hör mal auf, die Leute hier auszufragen, Schwägerin. Willst sie wohl als Schwiegertochter haben?«, fing Gugu schon an.
»Ach wo, wo denkst du hin? Wir Bauern würden niemals wagen, die Hand so hoch hinauszustrecken! Wir bleiben bei Unseresgleichen. Das Fräulein Shizi ist im öffentlichen Dienst und wird vom Staat versorgt. Deine Neffen können wohl schwerlich zu ihr passen«, wandte meine Mutter ein.
Der Kopf des Mädchens sank ein Stück tiefer, mit dem Essen klappte es auch nicht mehr.
Just kamen meine Mitschüler Wang Leber und Chen Nase auf einen Sprung vorbei. Leber lugte ins Zimmer und trat auf die Schale mit dem Hühnerfutter, die sofort zu Bruch ging. Mutter schnauzte ihn an: »Du Rüpel, kannst du nicht aufpassen, wo du hintrittst?«
Der lachte, es war ihm wohl peinlich.
»Leber, wie geht es deiner Schwester? Ist sie gewachsen?«, fragte meine Tante.
»Es hat sich nichts verändert ...«, antwortete er.
»Sag deinem Vater, wenn du wieder zu Haus bist, da gibt es nichts zu diskutieren, deine Mutter darf keine weiteren Kinder mehr bekommen.« Gugu schluckte den Bissen Fladen hinunter, zog ihr Taschentuch hervor und putzte sich den Mund ab. »Sonst schleift sie ihre Gebärmutter eines Tages auf dem Boden hinter sich her.«
»Hör auf, ihnen Sachen zu sagen, die nur Frauen was angehen!«, meinte Mutter.
»Das macht doch nichts! Dann wissen sie wenigstens, wie schwer es die Frauen damit haben«, meinte meine Tante. »Von den Frauen im Dorf hat die Hälfte eine Gebärmuttersenkung, die andere Hälfte eine Gebärmutterentzündung. Wang Lebers Mutter hängt die Gebärmutter schon aus der Scheide raus, wie eine matschige Birne. Und Wang Bein will ihr partout noch einen Sohn machen! Wenn ich den zu packen kriege ... ach richtig, Nase, deine Mutter ist auch krank ...«
Mutter unterbrach meine Tante und herrschte mich an: »Nun marsch an die Luft! Nimm deine Gaunerfreunde und geh draußen spielen. Ihr geht uns hier auf die Nerven.«
Auf der Gasse meinte Leber zu mir: »Du musst uns zum Erdnüsseessen einladen!«
»Wieso das? Versteh ich nicht.«
»Wir wollen dir ein Geheimnis verraten«, entgegnete Nase.
»Was für ein Geheimnis?«
»Erst mal her mit den Erdnüssen!«
»Ich hab keine Kohle.«
»Was soll das heißen, du hast kein Geld? Du hast doch aus dem Maschinenpark des staatseigenen landwirtschaftlichen Betriebs ein Stück Kupferblech geklaut«, meinte Nase, »einen Yuan hast du mindestens dafür gekriegt. Du glaubst
Weitere Kostenlose Bücher