Frösche: Roman (German Edition)
Blick war nicht mehr trüb. Laufen tat nicht mehr weh, unsere Beine waren nicht mehr taub, und die Körper der Heranwachsenden wuchsen wieder. Zur selben Zeit wurden auch die Brüste unserer Frauen wieder rund, und ihre Regel kam zurück. Die Kraft in den Lenden unserer Männer begann wieder zu blühen. Ihr Bartwuchs regte sich erneut, ihr Kreuz richtete sich wieder auf. Nach zwei Monaten des Sattessens an Süßkartoffeln waren fast alle jungen Frauen bei uns schwanger geworden.
Zum Winteranfang 1963 hatten wir den ersten starken Geburtenjahrgang seit der Gründung der Volksrepublik. In den zweiundfünfzig Dörfern, die zu unserer Kommune gehörten, wurden 2868 Babys geboren. Sie hießen bei meiner Tante immer nur Süßkartoffelbabys.
Der Leiter der Krankenstation des Gesundheitsamts war ein herzensguter Mensch. Als unsere Tante sich nach ihrem Selbstmordversuch zu Hause erholen musste, kam er sie besuchen. Er ist entfernt verwandt mit meiner Familie, ein Neffe meiner Oma mütterlicherseits. Er kritisierte meine Tante, sie habe ganz unbesonnen gehandelt, er hoffe doch, dass sie sich nun nicht mehr unter Druck gesetzt fühle, sondern ab jetzt gut arbeiten werde. Er sagte noch, die Augen der Partei und des Volkes seien hell, einen guten Menschen würden die Partei und das Volk nicht zu Unrecht beschuldigen! Und einen bösen würde die Partei niemals ungeschoren davonkommen lassen. Er wünsche sich von meiner Tante, dass sie an die Partei glaube, dass sie durch Taten ihre Unschuld unter Beweis stellen und ihren Ausschluss aus der Partei schnellstmöglich wieder rückgängig machen solle. Dann flüsterte er meiner Tante zu:
»Du bist doch anders als die bourgeoise Huang Qiuya. Die ist von Grund auf schlecht. Nicht so du! Du bist eine Pflanze mit roten Wurzeln. Aus solch einer Pflanze wächst ein gerader Spross! Auch wenn du ein paar Umwege nimmst, brauchst du dich nur anzustrengen und siehst sofort wieder einer strahlenden Zukunft entgegen.«
Seine Worte ließen meine Tante sogleich von neuem in Tränen ausbrechen.
Und mich auch. Wie wir weinten!
Kaum aus ihrer Blutlache aufgestanden, stürzte sie sich mit Feuereifer in die Arbeit. Obwohl es in den verschiedenen Dörfern inzwischen ausgebildete Hebammen gab, wollten viele Frauen ihr Kind in der Abteilung für Geburtshilfe der Kommunekrankenstation zur Welt bringen. Gugu begrub den alten Streit und arbeitete eng mit Huang Qiuya zusammen, sowohl bei der Behandlung wie auch bei der Pflege. Manchmal tat sie tagelang kein Auge zu, so viel gab es zu tun. Unzählige Gebärende und Säuglinge, an deren Bett schon der Tod gestanden hatte, holte sie im letzten Moment wieder ins Leben zurück. In einer Zeitspanne von nur fünf Monaten holten sie achthundertachtzig Säuglinge auf die Welt, darunter achtzehn durch Kaiserschnitt. Damals gehörte ein Kaiserschnitt zu den besonders komplizierten Operationen. Dass in der kleinen Krankenstation des Gesundheitsamts mit ihrer winzigen Abteilung für Geburtshilfe und ihren nur zwei Angestellten tatsächlich Kaiserschnitte durchgeführt wurden, sorgte eine ganze Weile für helle Aufregung. Auch meine Tante, die ziemlich unwirsch, voreingenommen und arrogant war, konnte nicht umhin, Huang Qiuyas Meisterschaft in dieser ärztlichen Kunst zu bewundern. Dass Gugu später in Nordost-Gaomi selbst den Ruf einer berühmten Frauenärztin bekam, die traditionelle ländliche Heilkunst mit westlicher Medizin vereinte, verdankte sie natürlich ihrer Erzfeindin Huang Qiuya, dieser alten Jungfer, die sich wahrscheinlich ihr Leben lang kein einziges Mal richtig verliebt hatte. Dass sie verschroben und launisch war, konnte man ihr nachsehen.
Als meine Tante alt geworden war, erzählte sie mir öfter mal Geschichten von ihrer alten Rivalin, diesem verwöhnten Tausend-Goldtaler-Fräulein, das einer alten Shanghaier Unternehmerfamilie, ausgemachten Kapitalisten, entstammte, erst Absolventin der namhaftesten Universität, dann degradiert und aufs Land zu uns nach Nordost-Gaomi versetzt. Wie das Sprichwort sagt: Ein Phönix, der Federn lassen musste, kann sich nicht mit einem Huhn messen .
»Wer ist das Huhn? Das Huhn bin ja wohl ich. Ein Huhn, das sich mit dem Phönix eine Stange teilen muss«, spottete Gugu selbstironisch, »aber ich vermöbelte ihn so, dass er keinen Mucks mehr machte. Dass er am ganzen Körper schlotterte, sobald er mich sah. Wie eine Eidechse, die eine Zigarettenkippe verschluckt hat. Damals benahmen wir uns alle wie die
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