Frösche: Roman (German Edition)
Tonkindern vollgestellt, fertige, die schon bemalte Gesichter mit Augenbrauen und Augen hatten, und Rohlinge, die noch bemalt werden mussten. Sogar auf seinem Kang standen Tonkinder dicht an dicht, und er hatte gerade so viel Platz gelassen, wie er brauchte, um sich lang auszustrecken.
Damals war er Anfang vierzig, ein großes, rotes Gesicht hatte er, und er band sein grau meliertes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. Sein Backenbart war auch grau meliert.
Im Nachbarkreis gab es auch Tonkinderkünstler, aber deren Tonfiguren wurden in Förmchen gedrückt und gestürzt. Sie sahen alle gleich aus, nicht wie die von seiner Hand modellierten, die einzigartig sind. Wiederholungen sind bei ihm ausgeschlossen. Die Leute sagten immer, die gesamten Tonglückskinder aus Nordost-Gaomiland entstammen seiner Hand. Und jeder finde unter den Niwawa-Püppchen »sich selbst« wieder und es zeige ihn, wie er als Baby ausgesehen habe. Alle sagten, dass Große Hand jedes Mal so lange mit dem Verkauf auf dem Markt warte, bis er kein einziges Korn Reis mehr im Tontopf habe. Dann erst verkaufe er mit tränenfeuchten Augen seine Tonkinder, als verkaufte er sein eigen Fleisch und Blut.
Dass nun so viele seiner Tonkinder auf dem vereisten Fluss und auf der Brücke in Scherben lagen, musste ihm das Herz brechen, nur verständlich, dass er Backes Handgelenk krampfhaft festhielt.
Ich ging mit meiner Tochter auf dem Arm zu ihm. Ich trug Uniform, denn ich fühlte mich, weil ich inzwischen schon so viele Jahre beim Militär war, in Zivilkleidung furchtbar unwohl. Deshalb hatte ich sogar jetzt, obwohl ich doch Renmei zur Entbindung ins Krankenhaus begleitet hatte, meine Uniform angezogen. Man muss schon sagen, ein junger Offizier in Uniform mit einem Neugeborenen auf dem Arm kann viel bewegen! Ich sagte: »Onkel Hao, lass doch bitte Backes Hand los. Er hat es bestimmt nicht mit Absicht getan.«
»Richtig! Onkel Hao, ich habe es wirklich nicht absichtlich getan.« Yuan Backe klang weinerlich. »Verschont mich bitte! Ich rufe einen Handwerker, der Euch den Schubkarrengriff und die Körbe wieder repariert. Für die zerbrochenen Kinder gebe ich Euch Geld.«
»Tu es mir zuliebe«, sagte ich. »Tu es für meine kleine Tochter, tu es für meine Frau. Gib ihn bitte frei und lass uns mit dem Trecker durchfahren.«
Renmei streckte den Kopf aus dem Wagen und rief mit durchdringender Stimme: »Onkel Hao! Bitte modelliere mir zwei Tonkinder, zwei Jungen, beide sollen sich aufs Haar gleichen.«
Die Leute in Gaomi behaupteten Folgendes: Kauft man bei Hao Große Hand ein Glückskind, bindet ihm einen roten Bindfaden um den Hals und stellt es auf den Kang am Kopfende des Bettes ehrenvoll wie eine Buddhafigur auf, dann gleicht später das Neugeborene dem Tonkind aufs Haar. Aussuchen dürfe man sich die Tonkinder bei Hao Große Hand jedoch nicht. Nicht wie im Nachbarkreis, wo sie alle auf dem Boden ausgebreitet liegen, eins neben dem anderen, eine ganze Matte voll, und jeder sich das Passende auswählen kann.
Seine Tonkinder dagegen blieben in den Tragkörben auf der Schubkarre, die Körbe waren immer mit einer kleinen Steppdecke zugedeckt. Wenn man eins von seinen Glückskindern kaufen wollte, schaute er einen scharf an, um sodann mit der Hand in den Korb zu fahren und eines herauszufischen. Dasjenige, das er hervorholte, musste man nehmen. Beschwerte man sich, dass die Figur nicht schön genug sei, tauschte er sie nicht etwa gegen eine andere ein, sondern lächelte nur bitter. Er hätte nie im Leben etwas erwidert, aber man meinte ihn dann sagen zu hören: »Wo gibt es denn Eltern, die ihre eigenen Kinder zu hässlich finden?« Deswegen war es üblich, dass man sich das von ihm erhaltene Tonkind genau anschaute und es mit der Zeit lieb gewann. Es war, als würde es nach und nach zum Leben erweckt, als besäße es eine eigene Identität. Über Geld wurde bei so einem Kauf nicht geredet und gefeilscht schon gar nicht. Hätte man ihm kein Geld gegeben, so hätte er bestimmt auch keins verlangt. Für das ihm bezahlte Geld bedankte er sich mit keinem Wort, so dass damals mit der Zeit alle annahmen, dass man mit einem bei ihm gekauften Tonkind ein wirkliches Kind bestellt hätte. Je länger man darüber spricht, desto mystischer erscheint die ganze Sache. Denn wem er ein Mädchen verkaufte, der ging und musste ein Mädchen bekommen, gab er einen Tonjungen, brachte man einen Jungen zur Welt. Und fischte er zwei aus seinem Korb, gebar man Zwillinge. Es war eine
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