Frösche: Roman (German Edition)
Dass auch nichts unterlassen worden sei. Dass auch alle Rettungsmaßnahmen richtig erfolgt seien. Dass Leiterin Wan noch dazu mehr als einen halben Liter ihres eigenen Blutes gespendet und Renmei übertragen habe. Das Geschehene bedauerten sie sehr. Es sei sehr schmerzlich ...
»Hast du keine Augen im Kopf?«, platzte es wütend aus meinem Vater heraus. »Da habe ich einen Strich gezogen. Den siehst du doch wohl!«, fuhr er meine Mutter an. »Jetzt ist der Sägeschnitt fast zwei Zentimeter drüber. Das siehst du doch, du Transuse!«
Mutter kam vom Boden hoch und verschwand laut weinend im Haus.
Vater schmiss die Säge hin und beugte sich über den Wasserbottich, um sich ein paar Kellen Wasser zu schöpfen, die er sich über den Nacken goss. Das kühle Wasser plätscherte über sein Kinn, über seinen Hals, über die Brust und mischte sich mit dem Sägemehl. Dann trank er und schnappte sich die Säge, um alleine weiterzusägen.
Der Kommuneparteisekretär und seine Kader verschwanden im Haus, um vor der Urne Renmeis drei tiefe Verbeugungen zu machen.
Jeder der drei Kader legte einen braunen Briefumschlag auf die Anrichte neben dem Herd.
Der Parteisekretär sprach zu meinem Vater: »Genosse Wan Fuß, wir wissen wohl, dass kein Geld der Welt diesen furchtbaren Verlust mildern kann, den deine Familie erlitten hat. Diese fünftausend Yuan sollen nur ausdrücken, dass wir Anteil an eurem Schmerz nehmen.«
Ein anderer Kader, auch so ein Parteisekretär, sagte: »Vom Staat kommen dreitausend, die übrigen zweitausend haben die Kommuneleiter selber dazugelegt.«
»Nehmt das Scheißgeld weg«, sagte ich, »wir brauchen das nicht.«
»Wir können dein Leid nachvollziehen«, sagte der Parteisekretär bitter. »Was einmal gestorben ist, wird nicht wieder lebendig! Und die Lebenden sind auch noch zur Revolution in Permanenz verpflichtet. 10 Vorsitzende Yang hat aus Peking angerufen. Sie hat ihrer Trauer für die kleine Wang Ausdruck verliehen, und sie bittet mich, den Hinterbliebenen der Verstorbenen ihr Beileid auszusprechen. Und sie hat dir deinen Urlaub um zwei Wochen verlängert, damit du das Begräbnis abwickeln und Vorkehrungen zu Hause treffen kannst. Erst dann kommst du zurück zur Truppe«, so sprach der Parteisekretär zu mir.
Ich sagte nur: »Danke, ihr könnt gehen.«
Er und seine Kader machten vor der Urne noch einen Diener und verließen gebückt das Haus.
Ich sah ihren Beinen zu, sah ihren fetten oder spargeldürren Ärschen zu, und mir kamen wieder die Tränen.
Durch die Gasse schallten das erbärmlich laute Weinen einer Frau und das grimmige Schimpfen eines Mannes. Ich wusste, meine Schwiegereltern waren auf dem Weg zu mir.
Mein Schwiegervater kam mit einer Mistgabel in der Hand, wie wir sie zum Heuwenden auf der Tenne verwenden, und brüllte wie besessen: »Ihr Hurensöhne, Bastarde, ersetzt mir meine Tochter!«
Die Schwiegermutter schwenkte mit den Armen und trippelte auf ihren kleinen Lilienfüßen, als wolle sie sich auf meine Tante stürzen. Aber sie stolperte und fiel. Sie blieb sitzen und trommelte mit den Händen auf den Boden: »Meine liebe, arme, arme Tochter! Wie konntest du so von uns gehen! Du stirbst und lässt uns allein zurück!«
Der Parteisekretär kam auf sie zu: »Ehrwürdige Wangs, wir wollten uns gerade auf den Weg zu euch machen. Dieses Unglück, das da geschehen ist! Wir sind bestürzt und unsäglich traurig ...«
Schwiegervater stieß die Mistgabel mit dem Stiel in den Boden und brüllte wie rasend: »Zeig dich, du Scheißkerl!«
Ich ging mit meiner Tochter auf dem Arm zu ihm, sie presste sich an mich und hielt meinen Hals mit beiden Ärmchen fest umschlungen. Ihren Kopf versteckte sie in meiner Halsbeuge.
»Vater«, ich stand vor ihm, »Vater, schlagt mich.«
Mein Schwiegervater riss die Gabel in die Höhe und holte aus. Aber seine Hand stockte. Ich sah Tränen von seinem weißen Bart tropfen. Die Knie knickten ihm ein, er kniete am Boden.
»Einen gesunden, blühend im Leben stehenden Menschen ...«, er schleuderte die Mistgabel weg und weinte laut schluchzend am Boden kniend, »... einen lebendigen, wunderbar lebendigen, gesunden Menschen bringt ihr zu Tode, ihr Vermaledeiten! Ihr schamlosen Sünder! Fürchtet ihr Pack die Strafe der Vorsehung nicht?«
Meine Tante ging zu den beiden hin und stellte sich mit hängendem Kopf zwischen meinem Schwiegervater und meiner Schwiegermutter auf: »Schwager und Schwägerin, es ist nicht Renners Schuld. Mich müsst ihr
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