Fromme Wünsche
Szenen lege. Aber wahrscheinlich wird es sich nicht vermeiden
lassen.“
Ich stellte mein Weinglas hin. „Du wirst mir
hoffentlich nicht einreden wollen, daß ich meine Ermittlungen einstellen soll.
In dem Fall kämen wir uns fürchterlich ins Gehege.“
„Nein, darum geht es nicht, obwohl ich davon auch
nicht hell begeistert bin. Es geht um dein Verhalten. Du erzählst nichts mehr,
du kapselst dich ab. Ich weiß, daß wir uns noch nicht sehr lange kennen, und
vielleicht habe ich kein Recht, irgendwelche Ansprüche an dich zu stellen. Aber
in den letzten paar Tagen warst du ziemlich kalt und unfreundlich. Und seit
Agnes' Tod hast du dich sogar wie ein richtiges Ekel benommen.“
„Könnte sein... Nun, anscheinend habe ich einige
Leute gereizt, die ein paar Nummern zu groß für mich sind. Ich habe Angst, das
geht mir gegen den Strich. Ich weiß nicht mehr, wem ich trauen kann. Das
erschwert den Umgang mit anderen Menschen, selbst mit den besten Freunden.“
Roger war sichtlich verärgert. „Was hab' ich dir
denn getan?“
Ich zuckte die Achseln. „Nichts. Aber ich kenne dich
erst seit kurzem und weiß nicht, mit wem du verkehrst. Ich gebe ja zu, daß ich
ekelhaft bin, und kann verstehen, daß du wütend bist. Aber ich bin da in eine
Sache hineingeraten, die zunächst wohl etwas rätselhaft war, aber nicht weiter
gefährlich schien - die Geschichte mit meiner Tante Rosa und den gefälschten
Wertpapieren. Dann allerdings versuchte jemand, mir Säure in die Augen zu
spritzen.“ Er war bestürzt. „Und zwar direkt vor meiner Wohnungstür. Jemand,
der mich aus dem Kloster vergraulen will. Natürlich habe ich dich nicht in
Verdacht. Aber da ich nicht weiß, wer hinter alldem steckt, ziehe ich mich zurück.
Das ist ziemlich scheußlich von mir, aber ich kann nicht anders. Und dann die
Sache mit Agnes... Ich fühle mich ein bißchen schuldig, weil ich dich zu ihr
geschickt hatte. Übrigens würde ich mich auch schuldig fühlen, wenn der Mord
gar nichts mit Ajax zu tun hätte. Aber sie machte eben deinetwegen Überstunden.
Das hört sich wohl alles etwas verworren an. Verstehst du mich trotzdem?“
Er fuhr sich durchs Haar. „Und warum hast du nicht
den Mund aufgemacht?“
„Weiß ich auch nicht. So bin ich nun mal. Ich kann's
schlecht erklären. Deshalb bin ich ja Privatdetektivin und nicht bei der
Polizei.“
„Willst du mir nicht wenigstens sagen, was mit der
Säure los war?“
„Du warst an dem Abend hier, als ich den ersten
Drohanruf erhielt. Letzte Woche haben sie versucht, die Drohung wahrzumachen.
Ich hatte damit gerechnet und habe dem Kerl den Kiefer gebrochen. Die Säure
kriegte ich ins Genick statt ins Gesicht. Es war trotzdem entsetzlich. Bei
Agnes' Beerdigung war mir, als hätte ich die Stimme wiedererkannt, die mir am
Telefon gedroht hatte. Aber den dazugehörigen Mann konnte ich nicht finden.“
Ich beschrieb die Stimme und fragte Roger, ob sie ihm irgendwie bekannt
vorkomme. „Es hörte sich an, als sei Englisch nicht seine Muttersprache und als
gäbe er sich Mühe, akzentfrei zu sprechen. Es könnte aber auch jemand sein, der
sonst sehr gedehnt spricht oder mit starkem Akzent.“
Roger schüttelte den Kopf. „Amerikanische Akzente
kann ich sowieso nicht unterscheiden... Aber sag mal, warum hast du mir nichts
davon erzählt? Du hast mich doch nicht ernstlich in Verdacht gehabt?“
„Nein. Natürlich nicht. Ich muß nur allein mit
meinen Problemen fertig werden. Schließlich will ich ja nicht so ein Weibchen
werden, das sich an einen Mann hängt und immer zu ihm läuft, wenn etwas nicht
ganz glatt geht.“
„Meinst du nicht, du könntest einen Mittelweg finden
zwischen diesen beiden Extremen? Du könntest zum Beispiel mit jemandem über
deine Probleme reden, sie aber allein lösen.“
„Ich kann's mir ja überlegen.“ Ich trank einen
Schluck Champagner, und er wollte wissen, was ich wegen Ajax unternommen
hätte. Ich hielt es für klüger, mein mitternächtliches Abenteuer im Büro der
Firma Tilford & Sutton nicht an die große Glocke zu hängen, sondern
erwähnte nur, daß ich ein bißchen nachgeforscht hatte. „Ich bin auf eine
Holdinggesellschaft namens Wood-Sage gestoßen, die mit deinem Problem
womöglich gar nichts zu tun hat. Der Name ist allerdings in einem
ungewöhnlichen Zusammenhang aufgetaucht. Könntest du deinen Kontaktmann
vielleicht fragen, ob er schon mal davon gehört hat? Oder du fragst eure
Investmentexperten.“
Roger lehnte sich halb über den Tisch.
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