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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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„Laufbursche
für V. I. Warshawski - toll! Wie nennt man das männliche Gegenstück zu einer
Gangsterbraut?“
    Ich lachte. „Keine Ahnung.“ Roger drückte meine
Hand. „Laß mich bloß nicht mehr im dunkeln tappen, V. I. Sag mir wenigstens,
warum du gewisse Dinge tust. Sonst könnte es passieren, daß ich mir
zurückgewiesen vorkomme und Komplexe kriege oder andere psychische Störungen.“
    „Alles klar.“ Ich zog meine Hand weg und ging um den
Tisch zu seinem Stuhl. Ich verstehe sehr gut, daß Frauen mit langem Haar bei
Männern so beliebt sind: Als ich meine Finger durch die langen Haarsträhnen
gleiten ließ, die Ferrant immer wieder über die Augen fielen, empfand ich das
als erotisch und zugleich beruhigend.
    Im Lauf der Jahre habe ich gelernt, daß Männern
Geheimnistuerei verhaßt ist. Sie wollen keine Unklarheiten. Manchmal ist das
rührend. Ich küßte Roger und nahm ihm die Krawatte ab. Nach ein paar
ungemütlichen Verrenkungen auf dem Stuhl zog ich ihn ins Schlafzimmer, wo wir
sehr angenehme Stunden verbrachten. Gegen zehn schliefen wir ein.
    Wären wir nicht so zeitig zu Bett gegangen, so hätte
ich um halb vier bestimmt noch im tiefsten Schlaf gelegen und der Brandgeruch
hätte mich nicht geweckt.
    Verwirrt setzte ich mich auf. Einen Moment lang
dachte ich, ich läge neben meinem Mann, der die üble Angewohnheit hatte, im
Bett zu rauchen. Aber dieser ätzende Gestank kam niemals von einer Zigarette.
    „Roger!“ Ich rüttelte ihn wach und suchte im Dunkeln
nach meiner Hose. „Roger, wach auf! Es brennt!“
    Bestimmt hatte ich das Gas brennen lassen. Ich
stürzte in die Küche. Sie stand in Flammen. So heißt es gewöhnlich in der
Zeitung, und ich sah nun, was das bedeutete: Züngelnde Flammen schlugen an den
Wänden hoch und tasteten mit orangeroten Zungen über den Boden Richtung
Eßzimmer. Sie zischelten und knisterten und ließen Rauchbänder flattern.
    Roger war hinter mir. „Weg hier!“ Er packte mich an
den Schultern und schob mich zur Eingangstür. Als ich den Drehknopf ergriff,
zuckte ich zurück. Ich hatte mir die Hand verbrannt. Auch die Wandverkleidung
war heiß. Ich versuchte, nicht in Panik zu geraten. „Hier brennt's auch!“ schrie
ich . „Wir müssen ins Schlafzimmer, zur Feuerleiter!“
    Zurück durch den Flur, der von weißem Rauch erfüllt
war. Das Atmen fiel einem bereits schwer. Ich stürzte ins verräucherte
Eßzimmer und tastete auf dem Tisch nach den venezianischen Gläsern. Teller
klirrten zu Boden. Die Champagnerflasche fiel um. Dann fand ich endlich die
Gläser. Unterdessen stand Roger an der Tür und rief verzweifelt nach mir.
    Im Schlafzimmer hüllten wir uns in Decken. Wir schlossen
die Tür, um keinen Durchzug entstehen zu lassen, aber das Fenster ging nicht
auf. Es wurde immer heißer. Schließlich zerschlug Roger die Scheibe mit seinem
deckenumhüllten Arm.
    Einen Augenblick lang hielten wir uns draußen
umschlungen und schnappten nach Luft. Roger zog seine Hose an. Er hatte
sämtliche Kleidungsstücke, die vor dem Bett lagen, zusammengerafft, und wir
machten eine Bestandsaufnahme. Ich hatte meine Jeans an, aber keine Bluse und
keine Schuhe. Ein Paar abgetretene, mit Kaninchenfell gefütterte
Lederpantoffeln würden meine brennenden Fußsohlen vor der schlimmsten Kälte
schützen. Ich wickelte eine Decke um meinen nackten Oberkörper und stieg die
glatten, schneebedeckten Eisentritte hinab. Mit einer Hand umklammerte ich die
Gläser.
    Roger - in Hemd, Hose und Schuhen mit offenen
Schnürsenkeln - war mir dicht auf den Fersen. Ihm klapperten die Zähne. „Wir
müssen die jungen Leute aus dem zweiten Stock wecken!“ rief ich ihm über die
Schulter zu. „Du hast so lange Beine - wenn du dich an die letzte Sprosse der
Feuerleiter hängst, springst du einfach. Die Leiter reicht nämlich nicht ganz
hinunter bis zum Boden. Du nimmst mir dann die Gläser ab, und ich schlage das
Fenster ein und hole die Studenten raus.“
    Davon wollte er zunächst nichts wissen. Er sprach
von Beschützerrolle und ähnlichem, bis er einsah, daß uns die Zeit davonlief.
Mir lag daran, die Gläser zu retten - weiter nichts. An der schneebedeckten
untersten Sprosse baumelnd, ließ er sich den letzten Meter hinabfallen. Dann
streckte er die Arme nach den Gläsern aus. Ich hing mit dem Kopf nach unten,
die Beine in die Leitersprossen gehakt. Knapp erreichte ich Rogers Fingerspitzen.
    „Ich geb' dir drei Minuten, Vic. Wenn du länger drin
bist, komme ich nach.“
    Ich nickte stumm

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