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Fronttheater

Fronttheater

Titel: Fronttheater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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lächelnd. »Das freut mich aufrichtig.«
    »Willkommen in Rußland!« Fritz Garten drückte Pykoras Hand. »Das sind Erika Nürnberg und Irene Berthold«, stellte er die beiden Mädchen vor. »Unsere anderen beiden Damen muß ich später mit Ihnen bekannt machen«, entschuldigte er sich. »Lore Sommerfeld ist bereits zu Bett gegangen. Und Sonja Deppe …«, er warf einen strafenden Blick auf Walter Meyer, »ist wieder einmal verschollen.«
    »Aha«, machte Pykora naiv.
    Erika Nürnberg stieß ein leises, amüsiertes Glucksen aus.
    Irene knuffte sie mit dem Ellbogen und ging auf ihren neuen Kollegen zu. »Ich freue mich, daß Sie gekommen sind, Herr Pykora«, sagte sie herzlich. »Und nun tauen Sie erst einmal ein bißchen auf. Sie sehen ja aus wie eine Frostbeule.«
    Karl Pykora schälte sich aus seinem Mantel und ging auf den bullernden Ofen zu. Plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen. Über der glühenden Ofenplatte trocknete an einem gespannten Bindfaden ein sehr kurzes, knappes Bühnenkostüm.
    »Gehört das da etwa zum Programm?« fragte Pykora mit einer Stimme, als erkundige er sich nach einem Verstorbenen.
    »Sicher«, sagte Walter Meyer. »Ist doch ganz niedlich, nicht?« Er grinste Pykora freundschaftlich an. »Immer hoch das Bein, das Vaterland soll leben!«
    »Walter!« sagte Irene scharf.
    Karl Pykora starrte auf den lächerlich kurzen Bühnenfetzen. »Und was soll ich dabei?« fragte er mutlos.
    »Klavierspielen natürlich.« Fritz Garten deutete auf einen Notenstapel, der auf einem Stuhl lag. »Da finden Sie alles, was Sie brauchen. Vom Foxtrott bis zum Glühwürmchenidyll.«
    »Glühwürmchenidyll«, stammelte Pykora entsetzt. »Ich bin Konzertpianist.«
    »Aber einen Fox werden Sie doch spielen können.«
    Pykora machte ein ratloses Gesicht. »Ich habe es noch nie versucht.«
    Fritz Garten sah ihn erstaunt an. »Ja, hat man Ihnen in Berlin denn nicht gesagt, was Sie hier machen sollen?«
    Pykora schüttelte den Kopf. »Herr Bereichsleiter Planitz sagte nur: ›Ach, Sie sind Pianist. So was brauchen wir gerade in Rußland.‹ Und nun bin ich hier.«
    Irene Berthold betrachtete den schmächtigen jungen Mann mitleidig. Seine dunklen schwärmerischen Augen, die schmalen feingliedrigen Virtuosenhände – Glühwürmchenidyll.
    Sie legte die Hand auf seinen Arm. Er tat ihr leid in seiner Hilflosigkeit, in seinem ohnmächtigen Trotz gegen die Härte eines Krieges, der keine Rücksicht auf empfindsame Seelen nahm.
    »Unser Fritz Garten hat einmal den ›Don Carlos‹ gespielt«, sagte sie tröstend, »den ›Egmont‹ und den ›Romeo‹. Und Erika hat ein Engagement am Rostocker Stadttheater abgebrochen – um hier vor unseren Landsern ein paar Liedchen zu trällern und auf der Bühne ›rumzuhopsen‹.«
    Pykoras dunkle Augen sahen Irene dankbar an. Sie schien ihm der einzige Halt, das einzig Vertraute in einer fremden, kalten Welt. »Und Sie haben sicher einmal die ›Julia‹ gespielt und das ›Gretchen‹.«
    Irene schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, ich muß sie enttäuschen, Karl. Ich komme von der leichten Muse. Ich bin Operettensängerin. Das da oben«, sie deute auf den kleinen Fetzen, der über dem Ofen trocknete, »ist mein Kostüm.« Sie nahm Pykora beim Arm. »Aber nun machen Sie sich mal keine Gedanken mehr.«
    »Ich werd's versuchen.« Er wandte sich an Fritz Garten. »Hier sind übrigens meine Papiere. Und dann habe ich noch einen Brief mitbekommen von Herrn Bereichsleiter Planitz.«
    Irene brachte Pykora auf sein Zimmer. »Schlafen Sie gut, Karl«, sagte sie und fuhr ihm leicht über die wirren Haare.
    »Ja – ja – danke.« Er ließ sich auf das Bett fallen. »Noch eine Frage«, sagte er, als Irene gehen wollte. Seine braunen Augen waren dunkel vor Verzweiflung. »Glauben Sie, daß alles einen Sinn hat, was wir hier tun?«
    »Danach dürfen Sie nie fragen, Karl«, sagte Irene leise. »Wir haben Krieg.«
    »Schon wieder so ein Wisch von Planitz«, sagte Garten und drehte den Brief mit dem Siegel der Reichstheaterkammer in der Hand. »Sogar per Boten schickt er uns jetzt seine Episteln.« Er stockte. »Der ist ja gar nicht für mich«, las er verwundert. »Diesmal bist du dran, Walter.«
    Walter Meyer riß den Umschlag auf und überflog den Brief. »Ick werd' verrückt«, murmelte er, als er zu Ende gelesen hatte, und warf einen raschen Blick auf Erika Nürnberg.
    »Was ist denn?« fragte Garten besorgt.
    Meyer schob den Brief über den Tisch. »Lest selber. Er geht euch beide an.«

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