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Fronttheater

Fronttheater

Titel: Fronttheater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Er stand auf und ging zur Tür. »Wenn der dicke Planitz denkt, ich mache den Spitzel für ihn, hat er sich geschnitten. Ich geh jetzt in die Falle, Kinder. Gute Nacht.«
    Erika Nürnberg rückte ihren Stuhl neben Garten und beugte sich über den Brief. »… die Ihnen zugeteilte Erika Nürnberg empfehle ich Ihrer besonderen Aufmerksamkeit«, lasen Erika und Garten. »Fräulein Nürnberg gilt als politisch und moralisch unzuverlässig und ist der Reichstheaterkammer deshalb unliebsam aufgefallen.«
    »Dieses Schwein«, stöhnte Erika in ohnmächtiger Wut.
    »… appelliere ich an Ihr Pflichtbewußtsein, mir unverzüglich über alle Unregelmäßigkeiten Mitteilung zu machen, besonders über Fräulein Nürnbergs Beziehungen zu Männern. Ich brauche Sie wohl nicht daran zu erinnern, daß Sie, Herr Meyer, nur durch die Fürsprache Ihres Onkels, des Herrn Kreisleiters, vorläufig vom Wehrdienst zurückgestellt worden sind.«
    Fritz Garten las nicht weiter.
    Erika Nürnberg sah ihn mit angstvollen, tränenfeuchten Augen an. »So eine Gemeinheit«, stammelte sie. »Erst benimmt er sich bei ›Kempinski‹ wie ein Schwein – überrumpeln wollte er mich, ich hab es dir doch erzählt –, jetzt dreht er alles rum. Fritz, ich schwöre dir …« Ihre Stimme erstarb in einem Schluchzen.
    Fritz Garten hob das Papier mit Daumen und Zeigefinger in die Höhe. »Du wolltest mir doch mal helfen, mein Feuerzeug anzuzünden«, sagte er mit einem leisen Lächeln. »Diesmal brauche ich zwei Hände.« Er deutete mit einem Kopfnicken auf das Feuerzeug, das neben der Zigarettenschachtel auf dem Tisch lag. »Steck's an.«
    Er hielt Planitz' Brief über die brennende Flamme und sah wortlos zu, wie das Feuer ihn auffraß.
    »Danke«, flüsterte Erika. »Danke, Fritz. Ich …« Sie legte den Kopf an seine Schulter und schlang ihre Arme um seinen Hals. Ihr rotblondes Haar streichelte seine Wange.
    Einen Augenblick schien es, als wolle Fritz Garten sie an sich ziehen.
    Im letzten Moment riß er sich zusammen. Ein paar Sekunden lang schloß er die Augen. Dann schob er Erika sanft von sich.
    »Ist doch selbstverständlich, daß ich kein Wort von dem Geschmiere glaube«, sagte er leichthin. »Dein Verlobter würde sicher auch nur darüber lachen, nicht?«
    »Ja – natürlich.« Erika stand auf. Mit abgewandtem Gesicht ging sie zur Tür. Sie sagte Garten nicht gute Nacht.
    Der Anruf kam am nächsten Vormittag.
    »Herr Garten?« fragte eine Stimme aus dem Hörer. »Hier ist Dr. Hans Berthold. Ich spreche aus Dabuscha. Ich bin ja so froh, daß ich endlich durchgekommen bin. Seit über einer Woche versuche ich, Sie zu erreichen. Könnte ich bitte mit Fräulein Erika Nürnberg sprechen?«
    Fritz Garten sagte nichts.
    »Hallo?« fragte die Stimme am anderen Ende der Leitung.
    »Ihre Verlobte ist drüben im Theater bei der Probe«, sagte Fritz Garten nach einer Weile. »Kann ich ihr irgend etwas ausrichten?«
    »Nein, danke.« Dr. Bertholds Stimme klang müde und enttäuscht. »Das heißt – grüßen Sie sie bitte von mir!«
    Es knackte in der Leitung.
    Nachdenklich hängte Fritz Garten den Hörer auf. Ein, zwei Minuten ging er im Zimmer auf und ab. Dann ließ er sich auf einen Stuhl fallen und steckte sich eine Zigarette an.
    »Erika.« Er sagte ihren Namen halblaut vor sich hin.
    Auf dem Tisch lagen noch die verkohlten Reste von Planitz' Brief, den sie beide zusammen in Brand gesteckt hatten. An seiner Brust hatte sie sich ausgeweint; sehr nahe war sie ihm gewesen, sehr vertraut.
    Mit einem plötzlichen Entschluß schob Garten den Stuhl zurück und rannte aus dem Zimmer. Zwei Minuten später stand er vor Erika und Irene auf der Bühne und berichtete ihnen von Dr. Bertholds Anruf.
    »Dabuscha ist nicht unmittelbares Frontgebiet«, sagte er zu Erika. »Du hast Urlaub, deinen Verlobten zu besuchen.«
    Irene Berthold sah Garten strahlend an. »Können wir nicht beide …?«
    »Nein. – Tut mir leid, Irene. Aber das Programm muß ja weitergehen.«
    »Wenn du lieber hinfahren willst«, sagte Erika, ohne Irene anzusehen. »Schließlich bist du seine Schwester.«
    »Kommt ja gar nicht in Frage«, protestierte Irene.
    »Es ist richtiger, wenn du fährst«, sagte Garten fest zu Erika.
    »Du hast recht.« Erika hob den Blick und sah ihm in die Augen. »Ich fahre!«
    »So, Fräuleinchen, jetzt haben wir's geschafft.« Der bärtige LKW-Fahrer half Erika vom Trittbrett des Wagens und deutete auf die Holzkaten, die in einer kleinen Mulde abseits der Rollbahn lagen.

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