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Fronttheater

Fronttheater

Titel: Fronttheater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Morgen früh um sechse komm ich wieder vorbei und nehm Sie mit zurück.«
    »Danke.« Erika winkte dem davonfahrenden Lastwagen nach. Dann wandte sie sich um und stapfte durch den tiefen Schnee auf Dabuscha zu.
    Gestern nachmittag hatte sie Smolensk verlassen. Zweieinhalb Stunden war sie mit der Bahn gefahren, bis die Schienen in irgendeinem kleinen Nest aufhörten. Ein Transportoffizier hatte sie dort auf einen Nachschubwagen gesetzt, der an Dabuscha vorbei zur Front fuhr.
    Aus den Schornsteinen der Katen quollen dunkle Rauchwolken, die der scharfe Wind zerwehte. Eine zerschlissene Rot-Kreuz-Flagge flatterte über den Dächern. Von fern kam das dumpfe Grollen des Geschützdonners.
    Hier also lebt Hans, dachte Erika. Hier arbeitet er. Hier schläft er.
    Und plötzlich kam ihr zu Bewußtsein, daß sie ihn in wenigen Minuten wiedersehen, daß er sie in seine Arme nehmen würde.
    Sie begann zu laufen.
    »Wo finde ich Unterarzt Dr. Berthold?« fragte sie außer Atem, als ein Landser ihr in den Weg lief.
    »Der wird wohl da drin sein«, murmelte der Mann und starrte die deutsche Frau wie ein Weltwunder an.
    Erika stieß die Tür der großen Dorfhalle auf, in der die Truppe Fritz Garten einst für die Landser Theater gespielt hatte.
    Erschrocken hielt Erika die Luft an. Eine Woge von Blutgeruch und Eiterdunst schlug ihr entgegen. Schmerzensschreie, Stöhnen … Dicht an dicht lagen die Opfer des Krieges auf dünnen Strohschütten.
    Zögernd ging Erika weiter, den engen Gang entlang, der zwischen den Verwundeten frei gelassen worden war.
    Vor ihr war ein roher Bretterverschlag. Eine Tür wurde aufgestoßen. Zwei Krankenträger schleppten eine Bahre heraus. Ein Mensch mit einem wächsernen Gesicht. Da, wo sein rechtes Bein sein sollte, hatte er einen dicken, blutdurchtränkten Verband.
    Erika stand wie angewurzelt. Am liebsten wäre sie weggelaufen. Nur fort aus dieser Hölle! Aber sie hatte nicht die Kraft dazu.
    Ein Mann mit einer braunen Gummischürze trat aus der Tür des Verschlages. Dunkelblondes Haar sah unter einer weißen Operationshaube hervor.
    Erika stockte der Pulsschlag des Herzens.
    »Hans!« Es klang wie ein Hilfeschrei.
    Dr. Berthold wandte den Kopf.
    Regungslos standen sie sich gegenüber. Fünf, zehn Sekunden lang. Dann stürzte Dr. Hans Berthold vorwärts und riß sie in seine Arme.
    Die Petroleumlampe warf ein gelbliches, flackerndes Licht auf die enge, ungemütliche Bude, in der Dr. Berthold hauste.
    Erika saß auf dem Feldbett. Hans hatte sich ausgestreckt. Sein Kopf ruhte in Erikas Schoß.
    »Hans?«
    »Ja?« Er schlug die Augen auf und sah sie an.
    »Nichts. Ich wollte nur deinen Namen sagen.«
    Als ob ich mich wieder an ihn gewöhnen müßte, dachte sie erschrocken. Ihre Hand fuhr streichelnd über seine Stirn. Wie schmal sein Gesicht geworden war. Und dieser harte, eckige Zug um die Mundwinkel.
    »Habe ich mich eigentlich sehr verändert, Hans?« fragte sie leise.
    »Du?« Er machte ein erstauntes Gesicht. »Aber nein.«
    »Sei ehrlich, bitte.«
    »Na, ja. Ein wenig schon. Wir haben beide viel erlebt in diesem einem Jahr. Das geht nicht spurlos an einem vorüber.«
    »Manchmal glaube ich …« Sie stockte.
    »Was glaubst du?«
    »Ach, nichts.« Sie schwieg wieder. Plötzlich drückte sie ihn an sich. »Halt mich fest, Hans«, flüsterte sie. »Bitte, halt mich fest!«
    »Was hast du?« fragte Berthold verstört. »Ist etwas …«
    Ein Klopfen unterbrach ihn.
    »Herein.«
    »Störe ich?« Dr. Sorensen steckte den Kopf herein.
    Erika löste sich verlegen aus Bertholds Armen. »Nein. Kommen Sie bitte herein.« Sie war fast froh, daß Dr. Sorensen kam.
    Dr. Sorensen stellte eine Flasche Wodka auf den Tisch. »Ich will nicht lange bleiben«, sagte er mit einem Zwinkern. »Aber eine halbe Stunde Ihrer Gesellschaft werden Sie mir altem Krauter doch noch gönnen, was?«
    Er drehte den Docht der Lampe etwas höher und musterte Erika wohlgefällig. »Ein Glück haben Sie, Berthold«, brummte er anerkennend. »Man könnte Sie beneiden. Wann wird denn geheiratet?«
    Dr. Hans Berthold war damit beschäftigt, sich eine Zigarette anzustecken.
    Erika sah ihn an. Sofort, Hans! dachte sie. Bitte, laß uns sofort heiraten! Und wenn's nur eine Ferntrauung ist, mit einem Stahlhelm auf dem leeren Stuhl. Vielleicht verlieren wir uns ganz, wenn wir nicht jetzt heiraten.
    »Nach dem Krieg«, sagte Dr. Hans Berthold durch die erste Rauchwolke hindurch.
    »Ich weiß nicht.« Dr. Sorensen wiegte zweifelnd den Kopf. »Wenn

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