Frost
würde ich auch nicht fragen, aber jetzt kommt da dieses Unwetter, und wenn ihr sowieso in meine Richtung fahrt, könntet ihr mich da nicht vielleicht bis Omaha mitnehmen?»
Ich holte gerade Luft, um abzulehnen, als er mich unterbrach.
«Der Flughafen wäre phantastisch, aber irgendwo sonst in der Stadt wär auch gut, ein Hotel oder eine Bar zum Beispiel. Irgendwas, wo ich ein Taxi rufen könnte.»
Ich schüttelte den Kopf. «Ich glaube, nicht.»
«Ich würde natürlich dafür bezahlen. Sagen wir dreihundert Dollar?»
Sara trat an die Beifahrertür und fragte: «Was ist mit dreihundert Dollar?»
Syl lächelte sie an, breit und freundlich. Sein Gesicht hatte sich beinahe unmerklich vollkommen verändert, so als hätte er das lange geübt.
In meinem Hinterkopf ging ein Warnlicht an.
Syl stellte sich Sara vor und streckte seine Hand aus.
Sara schüttelte sie und lächelte ihn ebenfalls an.
«Ich hab gerade mit Nate über eine Mitfahrgelegenheit nach Omaha gesprochen.»
Er erzählte ihr von seinem kaputten Auto und vom Unwetter, und dann wiederholte er sein Angebot: dreihundert Dollar, wenn wir ihn mitnähmen. Er fingerte ein Bündel Banknoten aus seiner Hosentasche und zählte drei Einhundert-Dollar-Scheine ab. Das Bündel war immer noch sehr dick.
«Was sagt ihr dazu?»
«Ich glaube, nicht», sagte ich.
Syl drehte sich zu mir um. Ich sah, wie Sara hinter ihm große Augen machte und die Worte «dreihundert Dollar» mit den Lippen formte.
Ich runzelte die Stirn.
«Es muss natürlich okay für euch sein. Ich verstehe das vollkommen, aber könntet ihr es nicht vielleicht trotzdem über euch bringen, mir zu helfen?»
«Ich fürchte, nein», sagte ich.
«Und wenn ich fünfhundert daraus mache?» Er schälte zwei weitere Scheine vom Bündel. «Das ist jetzt wirklich eine Menge Geld. Los komm, Junge, meine Lage ist echt hoffnungslos hier draußen.»
Sara trat neben mich und drückte fest meine Hand. Sie ließ das Geldbündel keinen Moment aus den Augen. «Du bist aber kein Psychokiller, oder, Syl? Sag lieber die Wahrheit.»
Syl lachte warm und herzlich. Das Warnlicht in meinem Hinterkopf blinkte wie verrückt.
«Ich fürchte, die Zeiten sind vorbei, meine Liebe.»
Sara schaute zu mir auf. «Ich sehe da kein Problem. Du?»
Syl hielt uns die Geldscheine entgegen, und obwohl ich wusste, dass die Entscheidung gefallen war, starrte ich sie eine Weile unschlüssig an, bevor ich sie nahm.
«Danke, Kinder, ich weiß das zu schätzen.» Er wies auf seinen Cadillac und sagte: «Ich hole nur schnell meinen Koffer, dann können wir losfahren, bevor uns der Schneesturm einholt.»
Kaum hatte er sich umgedreht, nahm mir Sara das Geld aus der Hand. «Fünfhundert Dollar.» Sie hüpfte fast, als sie das sagte. «O Mann, das ist ja kaum zu glauben!»
Ich schaute Syl hinterher. Er hustete und mühte sich damit ab, einen schwarzen Koffer aus dem Cadillac zu zerren. Endlich gab er nach, und Syl fiel fast auf den Hintern.
«Ich glaube, jetzt haben wir die Pechsträhne hinter uns.» Sara fächelte sich mit den Banknoten Luft zu und lächelte. «Und wir sind noch nicht mal in Reno!»
Sie lehnte sich an mich und sah zu mir hoch. Eine einzelne Schneeflocke fiel auf ihre Wange und blieb dort hängen, zart und weiß, bevor sie auf ihrer Haut schmolz.
Ich wischte sie mit meinem Daumen fort.
«Küsst du mich nicht?», fragte sie.
Ein Windstoß fegte über uns hinweg. Sara schien ihn nicht zu bemerken.
«Bist du wirklich sicher, dass wir ihn mitnehmen sollen?», fragte ich. «Wir wissen doch gar nichts über ihn, und ich traue ihm nicht. Er könnte …»
«Küss mich», sagte sie.
«Ich meine das ernst.»
«Ich auch», sagte sie. «Küss mich, das bringt Glück.»
Ich runzelte die Stirn. «So läuft das aber nicht.»
«Natürlich läuft es so», sagte sie. «Es klappt immer. Jetzt küss mich.»
Ich beugte mich zu ihr hinunter und küsste sie auf den Mund.
Es war ein guter Kuss.
Aber es klappte nicht.
4
Syl bestand darauf, die Tankfüllung zu bezahlen, und wir hinderten ihn nicht daran. Wir warteten im Auto auf ihn. Sara malte sich aus, was wir alles mit den fünfhundert Dollar machen könnten. Es war schön, sie so fröhlich zu sehen, aber ich wusste, dass das Geld längst nicht so lange reichen würde, wie sie dachte. Wir würden bald wieder abgebrannt sein.
«Weißt du, was ich an meinem 21. Geburtstag tun werde?»
«Dich betrinken?»
Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, bedauerte ich sie auch schon.
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