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Frost

Frost

Titel: Frost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Rector
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anderes.»
    «Sieht wie eine tiefe Wunde aus. Tut es weh?»
    «Nicht immer.»
    Syl wartete wohl, dass ich fortfuhr, aber ich wollte nicht. Wir schwiegen eine Weile.
    Als die Stille drückend wurde, sagte Sara: «Und was ist mit Ihnen, Syl? Sind Sie verheiratet?»
    «Hab nie die Richtige gefunden. Einmal dachte ich, die wär’s, aber ich hatte mich geirrt.»
    «Hat es nicht geklappt?»
    Syl lächelte. «Es ist voll nach hinten losgegangen.»
    «Das ist aber schade.»
    Syl hustete trocken und krümmte sich dann zusammen.
    «Alles okay mit Ihnen?», fragte Sara.
    Er nickte. «Geht sicher bald vorbei.»
    «Wir könnten zu einem Arzt gehen, wenn Sie wollen.»
    «Nein, danke. Ich würde lieber noch mehr über eure Eltern hören. Was sie dazu sagen würden, wenn sie wüssten, dass ihr heiraten wollt.»
    Ich lachte. Ich konnte nichts dagegen tun.
    Sara gab mir einen Klaps auf den Arm und wandte sich dann wieder zu Syl um. «Sie hatten ganz schön daran zu schlucken», sagte sie. «Ich bin ihre Älteste, und es war nicht leicht für sie, mich gehen zu lassen. Sie sind ziemlich religiös.»
    «Ziemlich?», sagte ich.
    «Na ja, sehr religiös», gab Sara zu. «Sie sind beide trockene Alkoholiker.»
    «Und wo ist da das Problem?»
    «Das ist schon in Ordnung. Sollen sie ruhig glauben, was sie wollen, ich hab meine eigenen Ansichten.»
    «Das hat nicht auf dich abgefärbt?»
    Sara schüttelte den Kopf. «Ich war schon ein bisschen älter, als sie mit diesem ganzen Kram anfingen. Ich bin nicht in der Kirche aufgewachsen oder so.»
    Sie hielt inne. «Ich konnte mich nur nie damit anfreunden.»
    «Das muss sie doch sehr geärgert haben.»
    «Vieles, was ich tue, ärgert sie.»
    «Zum Beispiel, dass du heiraten willst.»
    Sara lächelte. «Zum Beispiel.»
    «Was sie noch mehr aufregt, ist, dass sie Großeltern werden», warf ich ein.
    «Bist du schwanger?»
    Sara sah mich an und runzelte die Stirn. «Wir wollten es doch niemandem sagen.»
    «Keine Angst», sagte Syl, «ich kann Geheimnisse für mich behalten.»
    «Das ist aber nicht der Grund für unsere Hochzeit, wissen Sie.»
    «Das ist gut.»
    «Ich wollte nichts von dem Baby erzählen, weil das Unglück bringt.»
    Syl machte ein Geräusch, das seine Geringschätzung ausdrücken sollte. «So etwas wie Unglück oder Glück gibt es gar nicht. Entweder laufen die Dinge so, wie du willst, oder eben nicht.» Er hustete und räusperte sich dann. «Am Ende kriegt man immer das, was man sowieso gekriegt hätte. Die Frage ist nur, wie man damit umgeht.»
    «Spiel mit den Karten, die man dir ausgeteilt hat.»
    «Genau.»
    «Sara glaubt an das Schicksal.»
    «Das tun einige», sagte Syl. «Ich habe eine andere Erfahrung gemacht.»
    «Und was ist das für eine Erfahrung?», fragte Sara. «Was machen Sie eigentlich so?»
    «Du meinst beruflich?»
    «Ja. Wie schaffen Sie es, so viel Geld zu verdienen, dass Sie mal eben fünfhundert Dollar für die Fahrt nach Omaha ausgeben können?»
    Syl schüttelte den Kopf und lächelte. «In Wahrheit verdiene ich gar nicht so viel Geld. Aber dies sind besondere Umstände.» Er schien einen Moment nachzudenken, dann fuhr er fort: «Man könnte es so ausdrücken: Ich verdiene mein Geld damit, Streitigkeiten zu schlichten.»
    «Was für Streitigkeiten?»
    «Was immer man mir aufträgt.»
    «Ist das nicht langweilig?», fragte Sara.
    «Manchmal.»
    Wir ließen es dabei bewenden. Ein paar Minuten verstrichen, dann schaute sich Sara wieder zu Syl um und sagte: «Aber dass Sie uns in diesem Diner getroffen haben, das war doch wirklich Glück, oder?»
    «Kommt drauf an, wie man es betrachtet.»
    «Ich betrachte es so: Wir sind fünfhundert Dollar reicher, und Sie haben eine Mitfahrgelegenheit nach Omaha.»
    Syl lachte. «Jetzt hast du mich wohl erwischt. Und wer weiß, vielleicht hast du recht. Vielleicht ist es alles am Ende nur eine Frage von Glück oder Pech. Ich weiß es nicht genau, entweder so oder so.»
    Seine Stimme klang müde. Er hustete. Diesmal kam es tief aus seinem Brustkorb und schüttelte seinen ganzen Körper.
    Als der Hustenanfall endlich aufgehört hatte, sagte Sara: «Syl, sind Sie sicher, dass wir nicht zu einem Arzt gehen sollten?»
    «Absolut.» Er nahm ein weißes Taschentuch aus seiner Tasche und wischte sich den Mund ab, dann lehnte er sich gegen eine der schwarzen Mülltüten, in die wir Saras Klamotten gepackt hatten. «Ich glaube, ich brauche nur ein bisschen Ruhe. Wenn es euch nichts ausmacht, versuche ich jetzt, ein bisschen zu

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