Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frostfeuer

Frostfeuer

Titel: Frostfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
nun wirklich nicht.
    »Ich –«, begann Maus, wurde aber gleich unterbrochen:
    »Ich werde nicht viel von deiner kostbaren Zeit beanspruchen. Jedenfalls nicht, solange du es nicht wünschst.«
    Maus musterte die Frau voller Misstrauen. Machte sie sich über sie lustig? Ihr Gesicht wirkte offen und ehrlich, weit freundlicher als die meisten anderen, denen sie Tag für Tag begegnete. Und sie war jung, ganz erstaunlich jung.
    »Können wir nicht im Foyer miteinander reden?«, fragte Maus. Die feinen Härchen auf ihrem Handrücken hatten sich aufgestellt wie Nadeln, über die man einen Magneten hält.
    Tamsin schüttelte den Kopf. »Ich würde es vorziehen, wenn dieser verschlafene Portier uns nicht hört.«
    Maus seufzte leise und nickte. Was blieb ihr auch übrig?
    »Dein Name ist also Maus, ja?«
    Noch ein Nicken.
    »Ist das dein richtiger Name?«
    »Stimmt irgendwas nicht damit?«
    »Oh, Verzeihung. Ich schätze, er ist schon ganz in Ordnung. Mein Bruder heißt Rufus, weißt du? Niemand auf der Welt will Rufus heißen.« Tamsin gestikulierte beim Sprechen ziemlich aufgeregt mit den Händen. Weil sie Koffer und Regenschirm festhielt, machte das die Enge in der Kabine nicht gerade angenehmer. »Hmm, nochmal Verzeihung«, sagte sie lachend, als sie sah, dass Maus sicherheitshalber einen Schritt zurücktrat. »Ich sollte damit nicht so rumfuchteln, was?«
    »Sie haben mich gerettet«, stellte Maus fest. »Draußen im Schnee.«
    »Du hättest es auch allein geschafft. Es war nicht mehr weit.«
    Maus wusste es besser. »Danke«, sagte sie.
    »Keine Ursache. Also, Maus … Ich suche jemanden, der mir ein wenig hilft. Bei allerhand Kleinigkeiten.«
    Eine kleine, flinke Helferin, die sich im ganzen Hotel auskennt, hatte die Frau in der Suite gesagt. Woher hatte sie das gewusst? Was ging hier nur vor?
    »Ich hab schon Arbeit. Hier im Hotel.«
    »Aber sie macht dich nicht glücklich.«
    »Kann Arbeit das denn?«
    »Manchmal schon.« Tamsin fasste sie sanft an den Schultern und drehte sie um, sodass Maus sich selbst in der Scheibe betrachten konnte. »Sieht so ein glückliches Mädchen aus?«
    Tatsächlich fand Maus, dass sie heute viel mehr nach einem Mädchen aussah als sonst. Das musste am Licht liegen. Aber glücklich wirkte sie trotzdem nicht. »Nein«, sagte sie und senkte den Blick.
    Tamsin zog sie vorsichtig wieder zu sich herum und ging vor ihr in die Hocke. Ihre Augen befanden sich jetzt auf einer Höhe, nur der alberne Zylinder überragte Maus noch immer um mindestens einen Fuß.
    »Du kannst weiterhin deine Arbeit im Hotel machen«, sagte Tamsin, »jedenfalls wenn dir das lieber ist. Aber solange ich hier wohne, würdest du manchmal kleine Erledigungen für mich machen müssen. Wäre das in Ordnung?«
    »Was für Erledigungen?«
    »Zum Anfang könntest du meinen Koffer tragen. Er ist nicht schwer.«
    »Dann wird der Portier wütend auf mich sein, weil es seine Aufgabe ist, den Koffer durch die Tür zu tragen. Und der Page wird mich hassen, weil er ein Trinkgeld dafür bekommt, Gepäck aufs Zimmer zu bringen.«
    Tamsin grinste Maus an. »Aber der Portier schläft. Und der Page wahrscheinlich auch, oder? Jedenfalls sehe ich keinen.«
    Tatsächlich war der Junge von der Nachtschicht nirgends zu entdecken. Maus vermutete, dass er hinter irgendeinem Blumenkübel saß und schnarchte.
    »Nun?«, fragte Tamsin.
    »Warum nicht.« Maus wollte nach dem Koffer greifen, aber Tamsin zog ihn noch einmal zurück.
    »Moment. Noch was.«
    Die Sache musste ja einen Haken haben. »Hmm?«
    »Du musst Tamsin zu mir sagen. Nicht Lady Spellwell oder so einen Blödsinn.«
    Durch die vielen ausländischen Gäste im Hotel hatte Maus immerhin gelernt, dass Lady eine Anrede für eine englische Adelige war. War Tamsin also eine Frau von hoher Geburt?
    Sie nickte wieder, und Tamsin fuhr fort: »Du musst mir noch eine Frage beantworten.«
    »Sicher.«
    »Du bist ihr begegnet, oder? Ich meine, ich kann sie an dir riechen, jetzt noch viel stärker als beim letzten Mal. Hast du mit ihr gesprochen?«
    Maus schluckte.
    »Und sie hat dich bestimmt nach mir gefragt«, stellte Tamsin fest. »Hat sie das getan?«
    Tamsin hatte keinen Namen genannt, die Frau in der Suite nicht mal beschrieben. Als wäre Maus eine enge Vertraute, die auch so verstand, von wem sie sprach.
    »Ja.« Ihre Stimme klang kleinlaut. »Ich musste ihr sagen, dass ich Sie vor dem Hotel gesehen habe.«
    Tamsin strich ihr übers Haar. »Das macht gar nichts. Und sag bitte du zu

Weitere Kostenlose Bücher