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Frostfeuer

Frostfeuer

Titel: Frostfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Griffstange zu berühren, mit der man die Drehtür in Bewegung setzte. Noch konnte sie zurück.
    Mach schon, sagte sie sich. Geh endlich.
    Sie blickte wieder nach vorn, auf das Glas und auf die Messingstange. Ihr Gesicht spiegelte sich in der Scheibe. Sie sah sehr unglücklich aus. Vielleicht war das alles ja doch keine gute Idee.
    Ihre Knie bebten. Ihr Herz pumpte hektisch. Sie hatte Kopfschmerzen in der rechten Schläfe, als bohrte sich eine Nadel in ihren Schädel.
    Also?, fragte eine Stimme in ihrem Kopf. Soll’s das jetzt gewesen sein?
    Maus streckte beide Hände nach der Haltestange aus und drückte dagegen. Die Drehtür setzte sich in Bewegung. Maus machte zwei, drei Schritte vorwärts, dann befand sie sich samt ihrer Kabine immerhin schon seitlich der Drehspindel. Die gerundete Seitenwand bestand aus spiegelglattem Holz. Die Trennwände der vier Kabinen waren mit einem bürstenartigen Rand besetzt, der mit einem leisen Rauschen an der Verkleidung entlangstrich.
    Maus spürte die Kälte näher kommen. Noch ein Schritt, dann erreichte sie die Außenwelt. Die Markise über dem Gehweg reichte bis zum Straßenrand, wo tagsüber Pferdegespanne auf Fahrgäste warteten; sie hielt auch jetzt das schlimmste Schneetreiben fern. Trotzdem schlug der Frost Maus wie eine Ohrfeige ins Gesicht. Die Schweißperlen auf ihrer Stirn schienen schlagartig zu Eis zu werden. Sie zitterte am ganzen Leib, aber das hatte sie schon zuvor in der warmen Eingangshalle.
    Die Tür besaß genug Schwung, um sich weiterzudrehen. Maus zögerte einen Moment zu lange, dann war ihre Kabine bereits von neuem auf dem Weg nach innen. Der Kältehauch aus der Nacht wurde abrupt abgeschnitten. Ehe Maus sich’s versah, blickte sie schon wieder ins Foyer. Der Portier hatte den eisigen Luftzug der Drehtür bemerkt, nahm Haltung an, erkannte dann Maus und schüttelte stumm den Kopf. Sein Kinn sackte zurück auf die Brust, er schlief wieder.
    Maus atmete tief ein und aus. Ihre Hände waren noch immer um die Messingstange gekrallt. Es konnte doch, verdammt nochmal, nicht so schwer sein, diesen einen letzten Schritt ins Freie zu tun! Sie ärgerte sich über sich selbst und war zugleich erleichtert. Vielleicht morgen Nacht. Oder übermorgen. Dann läge Maxims Gemeinheit weiter zurück, alles würde viel einfacher sein.
    Nein!, durchfuhr es sie. Red dir nicht solchen Unsinn ein. Maxim hat nichts damit zu tun. Nur du selbst.
    Du kannst es. Heute. Jetzt gleich.
    Abermals drückte sie gegen die Stange. Die Tür drehte sich. Die hölzerne Seitenwand glitt vorüber, die Kälte wehte herein – und mit ihr eine Gestalt so flink wie ein Schatten und bunt wie eine Zuckerstange.
    Etwas stieß gegen Maus’ Knie. Die Kante eines Lederkoffers. Beinahe hätte sich die Spitze des zusammengefalteten Regenschirms in der Tür verkeilt, doch die Frau zog ihn mit einem »Hoppla!« gerade noch zu ihnen herein.
    Die Kabine wanderte weiter, von der Außenseite erneut Richtung Eingangshalle. Die Fremde packte die Haltestange und hielt die Tür auf halbem Weg an. Die Flucht nach vorn und nach hinten wurde jetzt von den Glasscheiben versperrt.
    Maus war mit ihr in der Kabine gefangen.
    »Was wollen Sie von mir?« Die Worte kamen ihr wie von selbst über die Lippen. Dabei war sie eigentlich viel zu überrascht, dass sie auf einmal nicht mehr allein in der Drehtür war. Die Frau war wie aus dem Nichts aufgetaucht.
    »Wie ist dein Name?« Schnee lag auf der Krempe ihres Zylinders. Irgendjemand musste vor kurzem darauf gesessen haben, so zerknautscht war er.
    »Maus«, sagte Maus.
    »Meiner ist Tamsin.« Die Frau deutete eine leichte Verbeugung an. Blaue Haarsträhnen fielen unter dem Hut hervor. »Tamsin Spellwell, zu deinen Diensten.«
    »Zu meinen Diensten?«
    Die Frau zuckte lächelnd die Achseln. »Nur so eine Redensart.«
    »Ich möchte jetzt gerne wieder ins Foyer«, sagte Maus sehr vorsichtig. Das Gefühl, das sie in der Gegenwart dieser Frau – dieser Tamsin – beschlich, unterschied sich kaum von jenem, das sie in der Zarensuite verspürt hatte. Die Luft in der Glaskabine kribbelte und knisterte wie elektrisiert. Der Schal um Maus’ Hals schien enger zu werden.
    Auch die Frau besaß einen Schal, bunter noch als alles andere an ihr – mit Ausnahme des Regenschirms vielleicht, der wirklich lächerlich aussah, sogar in geschlossenem Zustand.
    »Darf ich mich kurz mit dir unterhalten?«, fragte Tamsin.
    Was für ein seltsamer Name, dachte Maus. Und Spellwell? Russisch klang das

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