Frostfeuer
finde ich ihn ganz bezaubernd.«
Maus hatte Kukuschka nur selten sprachlos erlebt, aber das hier war zweifellos ein solcher Moment. »Ich … nun ja …«, stammelte der Arme. Maus musste sich abwenden, damit er ihr Grinsen nicht sah.
»Bitte«, sagte Tamsin. »Ich kann nicht schlafen, wissen Sie? Und ich brauche ein wenig Führung beim Tanzen, Sie verstehen das doch.«
Maus grinste noch immer, dachte dann aber, dass es nun allmählich gut wäre mit dem Süßholzgeraspel.
»Nun ja«, murmelte Kukuschka noch einmal.
»Oh, seien Sie kein Spielverderber!«
»Ich schätze, ein Tanz kann ja nicht schaden«, sagte er und räusperte sich.
Maus verspürte einen sonderbaren Stich, als die zwei sich berührten, erst ein wenig zögerlich, dann entschlossener. Beide lächelten jetzt: Kukuschka noch etwas flatterig, Tamsin voller Charme. Maus trat einige Schritte zurück und beobachtete sie voller … Eifersucht? Aber auf wen von beiden? Kukuschka war ihr ältester Freund, ihre Vertrauter und Lehrer. Und Tamsin? Tja, was war sie eigentlich?
Kukuschka brauchte genau zwei Tanzschritte, ehe seine antrainierten Reflexe die Oberhand über seinen Widerwillen gewannen. Und wenn Maus es sich genau überlegte, schien er mit einem Mal gar nicht mehr so widerwillig zu sein. Tamsin wickelte ihn um den kleinen Finger, ohne dass er es bemerkte. Allein durch ihr Lächeln. Und ihr kurzes Kleid.
Skandalös, in der Tat!, sagte sich Maus. Aber sie traute ihrer eigenen Ironie nicht über den Weg. Sonderbares ging hier vor, was allerdings in Anbetracht der Tatsache, dass Tamsin Spellwell darin verwickelt war, nicht wirklich überraschend war.
Eifersucht war kein Gefühl, das Maus je zuvor empfunden hatte. Auf wen hätte sie früher auch eifersüchtig sein sollen? Kukuschka war ihr Freund. Und Tamsin – nun, Tamsin irgendwie auch. Einen Moment lang fürchtete sie tatsächlich, keiner der beiden würde sich je wieder für sie interessieren, falls sie erst Sympathien füreinander entdeckten.
Aber sie tanzten doch nur! Was war so furchtbar daran? Kukuschka wurde sogar dafür bezahlt.
Tamsin zog seinen Oberkörper enger an ihren. Ihr Gesicht war nur einen Fingerbreit von seinem entfernt. Ihre Lippen bewegten sich, aber Maus konnte nicht hören, was sie sagte. Das gefiel ihr noch viel weniger.
Die beiden drehten und drehten sich, tanzten von Maus fort, der gegenüberliegenden Seite des Saales entgegen. Sie waren ein schönes, wenn auch extravagantes Paar. Und es zeigte sich, dass Tamsin Kukuschkas Führung keineswegs bedurfte. Sie war eine vorzügliche Tänzerin. Man hätte vergessen können, dass gar keine Musik gespielt wurde, wäre da als einziger Laut nicht das Klacken ihrer Absätze gewesen, unregelmäßig und vom Rhythmus ihrer Bewegungen bestimmt.
Maus überlegte, ob sie gehen sollte. Es gab genug für sie zu tun. Im Keller warteten schmutzige Schuhe auf sie. Dort war ihr Platz, nicht hier, unter Kristallkronleuchtern so groß wie Tannenbäume; sie sahen aus wie ein Wald, der zu Eis erstarrt und auf den Kopf gestellt worden war. Vielleicht enden wir ja alle so, dachte sie: zu Eis erstarrt, durchsichtig wie Kristall. Gläserne Statuen als Spalier für die Schneekönigin.
Das Klappern endete abrupt.
Maus blickte auf und sah, dass der Tanz unterbrochen worden war. Kukuschka war einen Schritt vor Tamsin zurückgewichen. Sein Gesicht war kreidebleich. Für die Dauer eines Herzschlags schien er beinahe zu taumeln, dann hatte er sich wieder im Griff.
Tamsin lächelte so liebreizend wie zuvor. So charmant, dass Herzen davon schmelzen konnten. Oder Eis.
Maus verstand nicht, was geschehen war.
»Kuku?«, flüsterte sie, mehr zu sich selbst als in seine Richtung.
Er warf Tamsin einen letzten, verstörten Blick zu, dann fuhr er herum und stürmte aus dem Saal. Als er Maus passierte, flackerte sein Blick ganz kurz zu ihr herüber. Dann war er auch schon verschwunden, ohne Abschied, ohne irgendein weiteres Wort.
»Kukuschka?«, rief sie ihm gedämpft hinterher.
Sie wollte ihm folgen, doch da stand Tamsin mit einem Mal hinter ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Maus hatte ihre Absätze nicht gehört, als sie herangekommen war. Als hätten ihre Füße den Boden gar nicht berührt.
»Lass ihn«, sagte Tamsin sachte. »Ihm ist nicht wohl.«
»Unsinn!«, giftete Maus sie an. »Gerade eben ging es ihm noch gut.«
»Er ist völlig gesund, glaub mir. Nur ein wenig erschrocken vielleicht.«
»Was hast du getan?« Maus schüttelte ihre
Weitere Kostenlose Bücher