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Frostfeuer

Frostfeuer

Titel: Frostfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Hüfte gegen die Korridorwand und wurde im letzten Moment von Tamsin aufgefangen, bevor sie mit dem Schädel auf Stein krachen konnte. Dann fielen sie beide, stießen dabei den Kofferdeckel zu, purzelten über- und untereinander und blieben schließlich halb verknotet liegen.
    Tamsin entwirrte ihre Glieder und grinste. »Das hat Spaß gemacht, oder?«
     
    *
     
    Drei Tassen Tee vom Zimmerservice, viele belegte Brote und ein heißes Bad in der gusseisernen Wanne brachten Maus auch innerlich zurück auf den Boden. Schließlich streckte sie sich in Tamsins viel zu großem Schlafanzug auf dem Bett aus. Sie war in die Daunendecke eingemummelt, trug ein paar dicke, quietschbunte Wollsocken und etwas auf dem Kopf, das Tamsin eine selbst gestrickte Mütze nannte, obgleich es mehr Ähnlichkeit mit einer verbeulten Orangenschale besaß; jedenfalls hatte es die gleiche Farbe und war selbst Maus viel zu klein.
    Auf dem Tischchen vor dem dunklen Fenster lag verkehrt herum Tamsins Zylinder mit der Öffnung nach oben. Die drei Stühle, die normalerweise um den Tisch herumstanden, waren sternförmig nach hinten umgekippt – das einzige Anzeichen dafür, dass in diesem Raum erst vor kurzem etwas Ungewöhnliches geschehen war.
    »Besser?« Tamsin saß auf der Bettkante und blickte sorgenvoll auf Maus hinab.
    »Jedenfalls wird mir allmählich wieder warm.«
    »Es tut mir so Leid. Wirklich.«
    Maus sah, dass Tamsins Wangenmuskeln zuckten. »Ich glaub dir kein Wort.«
    »Ich geb dir mein Ehrenwort.« Ein Grinsen flimmerte auf, verschwand wieder und erschien erneut. Tamsins ernste Miene zerschmolz zu purem Übermut. »Ach, komm schon!« Sie sprang hoch und lief vor dem Bett auf und ab. »Das war doch lustig!«
    »Hmm-hmm.«
    »Sag nicht, du hättest nicht eine Menge dazugelernt! Zum Beispiel, wie man das Hotel verlässt. Und dass selbst hier drinnen deine Welt nicht zwangsläufig die einzige Welt ist! Hängt alles vom Blickwinkel ab, findest du nicht?« Als sie sah, dass Maus ihre Euphorie nicht teilte, rief sie: »Außerdem haben wir ihr heute ganz schön eins ausgewischt!«
    »Und warum bin ich dann fast erfroren?«, maulte Maus. »Und von der Decke gefallen?«
    Tamsin zog eine Schnute. »Ja, ja, zugegeben, das Ganze hätte besser laufen können. Aber immerhin, der Anfang ist gemacht.«
    »Die Königin hat nicht begeistert ausgesehen.«
    Tamsin strahlte wieder. »Sie wird von Stunde zu Stunde schwächer.«
    Maus setzte sich auf. »Du hättest mich warnen müssen!«
    »Ich hab ja nicht gewusst, auf welche Weise sie das Fell beschützt.«
    »Aber du hast gewusst, dass sie es schützt.«
    »Wer hätte gedacht, dass ihr der Junge so wichtig ist?«
    Tamsin ging zum Tisch und stellte die Stühle wieder auf. Alle drei bebten, wippten und kippten wieder um, so als ginge von dem Zylinder in ihrer Mitte ein unsichtbarer Widerstand aus, der sie nach hinten zwang.
    Tamsin fluchte steinerweichend, packte einen Stuhl an der Lehne, stellte ihn vors Bett und setzte sich darauf. Einen Moment lang schien sie fast zu erwarten, dass er trotzdem wieder umfiele. Als er es nicht tat, lächelte sie zufrieden. »Manche Dinge verlernt man eben nicht. Wie Schlittschuhlaufen.«
    Maus hatte keine Ahnung, wovon sie redete, aber es interessierte sie im Augenblick auch nicht. »Ich verschwinde jetzt«, sagte sie. »Ich muss noch Schuhe putzen.«
    »Vergiss die Schuhe.«
    »Was?«
    »Sie sind im Moment nicht wichtig.«
    Maus kochte innerlich. »Na klar, es sind ja auch nicht deine Schuhe! Und du kriegst keinen Ärger, wenn sie morgen Früh nicht vor den Zimmern stehen.«
    »Keiner wird sie vermissen. Jedenfalls nicht vor morgen Abend.«
    »Was soll denn das heißen?«
    Tamsin schlug sich vor die Stirn. »Natürlich! Du weißt es ja noch gar nicht!«
    Maus blieb argwöhnisch. »Was?«
    »Das Hotel wird geräumt.«
    Die Wärme, die gerade begonnen hatte, sich in Maus’ Magen auszubreiten, schwand auf einen Schlag. »Wie, geräumt?«
    »Alle müssen bis acht Uhr früh das Hotel verlassen. Das ist in …« – ein Blick auf ihre Taschenuhr – »… bald.«
    Maus verstand kein Wort. »Verlassen?«
    »Ach Maus, plappere doch nicht immer nach, was ich sage. Das klingt, als wärst du schwer von Begriff!«
    Maus platzte der Kragen. »Vielleicht bin ich ja schwer von Begriff! Dann tut’s mir Leid. Ich bin eben einfach zu dumm, um zu verstehen, was die große, mächtige, allwissende Zauberin Tamsin Spellwell von sich gibt.«
    Tamsin starrte sie einen Augenblick lang

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