Frostfluch: Mythos Academy 2 (German Edition)
fröhlicher Ort und mein liebster Raum im ganzen Haus.
Grandma Frost stand an der Arbeitsplatte, schnitt getrocknete Erdbeeren und ließ die leuchtend roten Stücke in eine Schüssel mit Keksteig fallen. Zusätzlich zu ihren hellseherischen Fähigkeiten war Grandma eine phantastische Bäckerin. Ich atmete tief ein und konnte quasi die dunkle Schokolade, den braunen Zucker und das Mandelaroma schmecken, die bereits im Teig waren. Lecker.
Grandma musste gerade erst die letzte Sitzung beendet haben, da sie noch das trug, was sie ihre Gypsykleidung nannte – eine weiße Seidenbluse, schwarze Hosen, schwarze Slipper mit aufgerollter Spitze und, ganz wichtig, Massen und Massen von farbenfrohen Tüchern. Die durchsichtigen Schichten aus Lila, Grau und Smaragdgrün flatterten um ihren Körper, während die glänzenden Silbermünzen an den Enden der Tücher fröhlich klimperten. Die unzähligen Ringe, die sie gewöhnlich an den Fingern trug, hatte Grandma abgenommen. Der Silberschmuck bildete einen glitzernden Haufen auf dem Küchentresen, und die Edelsteine darin blitzten im Sonnenlicht wie geschliffene Glühwürmchen.
»Du hast mich erwartet«, sagte ich, stellte meine Tasche auf einen Stuhl und beäugte mit hungrigem Interesse den klebrigen Teig. »Hattest du eine Vision, dass ich kommen würde?«
»Nee.« Grandma Frosts violette Augen funkelten in ihrem runzligen Gesicht. »Es ist Mittwoch. Du kommst mich am Mittwoch immer besuchen, bevor deine Schicht in der Bibliothek anfängt. Ich bin heute ein bisschen früher fertig geworden, also dachte ich, ich backe ein paar Kekse für dich und Daphne.«
Ich hatte Daphne vor ein paar Wochen mal mitgenommen und meiner Grandma vorgestellt. Die beiden hatten sich auf Anhieb verstanden, was zum Teil dem phantastischen Apfelmuskuchen zu verdanken war, den Grandma an diesem Tag gebacken hatte. Daphne war kein solches Schleckermaul wie Grandma und ich, aber der Kuchen hatte sie trotzdem vom Hocker gehauen. Und jetzt schickte mich Grandma, wann immer ich sie besuchte, mit einer Leckerei sowohl für mich als auch für Daphne zurück nach Mythos, meistens verpackt in einer Dose von der Form eines riesigen Schokokekses. Es war die kleinere Version der großen Dose auf der Arbeitsplatte.
»Also, was war diese Woche in der Schule los, Süße?«, fragte Grandma, während sie kleine Bälle aus Teig formte und die Kekse in den Ofen schob.
Ich setzte mich an den Tisch. »Nicht viel. Stunden, Hausaufgaben, Waffentraining – das Übliche. Obwohl Daphne mich ständig fragt, ob ich mit auf dieses Event fahre, das sich Winterkarneval nennt. Die Mächtigen der Akademie bringen alle Schüler zu einem der Skiresorts. Angeblich gibt es da das ganze Wochenende über einen Jahrmarkt und Partys und so.«
»Oh?«, meinte Grandma. »Daran erinnere ich mich aus der Zeit, als deine Mom auf der Akademie war. Sie schien bei diesen Ausflügen immer ziemlich viel Spaß zu haben.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ist der Karneval ganz lustig, vielleicht auch nicht. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich mitfahren will.«
Grandma sah zu mir herüber, aber ihre violetten Augen wurden plötzlich ausdruckslos und glasig, als sähe sie etwas in weiter Ferne und nicht mich, die ich in ihrer Küche saß.
»Nun, ich denke, du solltest mitfahren«, murmelte sie in diesem seltsamen, geistesabwesenden Tonfall, den sie immer draufhatte, wenn sie von etwas sprach, das nur sie sehen konnte. »So könntest du die Akademie mal eine Weile hinter dir lassen.«
Sie hatte eine ihrer Visionen. Ich blieb still sitzen, während eine alte, wachsame Macht die Luft um uns bewegte. Eine vertraute und fast beruhigende Macht. Sie erinnerte mich an eine bestimmte Göttin, die ich vor nicht allzu langer Zeit getroffen hatte.
Nach ein paar Sekunden wurde Grandmas Blick wieder klar, und sie lächelte mich an. Die Vision war vorüber, und die uralte, unsichtbare Macht, die in der Luft gehangen hatte, verschwand wieder. Manchmal sah Grandma jede Menge Details in ihren Visionen, sodass die Zukunft kristallklar vor ihr stand. Manchmal allerdings empfing sie nur vage, verschwommene Bilder und den ungefähren Eindruck, dass etwas Gutes oder Schlechtes passieren würde, ohne zu wissen, was es war. Diesmal musste es eine vage Vision gewesen sein, da sie mir nichts weiter darüber verriet, warum ich zum Winterkarneval gehen sollte oder was passieren würde, wenn ich dort war. Außerdem hatte Grandma immer gesagt, dass sie mich meine
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