Frostglut
ich vielleicht zu spät kommen würde, um ihn zu retten. Mein Magen verkrampfte sich vor Sorge, aber ich drängte die schreckliche Angst zurück. Stattdessen umarmte ich Grandma Frost für einen Moment, bevor ich mich umdrehte, um Alexei und Morgan ins Auditorium zu folgen.
Wir schoben uns vorsichtig durch die Eingangstür und fanden uns in einem langen, breiten Flur wieder. Da das Auditorium noch nicht offiziell für das Konzert geöffnet war, brannten die meisten Lichter noch nicht. Schatten erstreckten sich in alle Richtungen und schienen alles zu umhüllen. Doch selbst von meinem Platz beim Eingang fühlte ich, dass etwas hier sehr, sehr falsch lief.
Wir eilten in einer lockeren Formation den Flur entlang. Alexei übernahm die Vorhut, ich folgte in der Mitte und Morgan bildete die Nachhut. Jeder von uns sah sich ständig um und lauschte auf den kleinsten Hinweis auf Gefahr oder Schwierigkeiten. Wir liefen durch einen Flur nach dem anderen, konnten aber nirgendwo Schnitter entdecken – um genau zu sein sahen wir überhaupt niemanden. Keine Angestellten, die den Boden kehrten, keine Mythos-Schüler, die an einem der Trinkbrunnen ihren Durst stillten, keine Mitglieder des Protektorats, die durch das Auditorium patrouillierten. Die Stille machte mich nur noch nervöser.
Endlich erreichten wir einen Knick im Gang und spähten vorsichtig um die Ecke. Vor einer breiten Doppeltür, die offensichtlich zum Konzertsaal führte, standen zwei weitere Schnitter. Anders als die Männer draußen trugen diese hier schwarze Roben und hielten ihre Schwerter bereits in den Händen. Mir rutschte das Herz in die Hose. Diese Wachen würden wir nicht überrumpeln können, wie wir es bei den Männern draußen getan hatten.
Wir zogen uns zurück und diskutierten ein gutes Stück weiter hinten im Flur, was wir nun tun sollten.
»Die Schnitter müssen bereits im Saal sein«, flüsterte Alexei. »Und wir werden es nicht schaffen, an diesen Wachen vorbeizukommen, ohne eine Menge Lärm zu machen. Selbst wenn Morgan einen von ihnen erschießt, wird der andere trotzdem schreien und so unsere Anwesenheit verraten.«
Morgan klopfte mit einem Finger auf den Bogen, und grüne Funken schossen durch die Luft. »Vielleicht müssen wir sie gar nicht erledigen. Vielleicht können wir uns stattdessen an ihnen vorbeischleichen.«
»Wie meinst du das?«, fragte ich.
»Es gibt noch einen anderen Zugang zum Konzertsaal … einen schmalen Steg, von dem man den gesamten Raum überblicken kann.«
»Woher weißt du das?«
»Weil ich mich während des Konzerts letztes Jahr so gelangweilt habe, dass Samson und ich ein wenig herumgeschnüffelt haben. Wir haben einem der Angestellten dreihundert Dollar gezahlt, damit er uns durch den Kontrollraum auf den Steg lässt.«
Ich verdrehte die Augen. »Du meinst damit, dass ihr euch davongeschlichen habt, um irgendwo rumzumachen.«
Morgan schenkte mir ein reumütiges Lächeln. »Wie ich schon mal gesagt habe, Gwen. Das Schulflittchen zu sein hat seine Vorteile. Ich wünschte nur, Samson …«
Sie biss sich auf die Lippe, aber in ihren Augen stand Schmerz, während weitere Funken um sie herum durch die Luft tanzten. Ich wusste, was sie sagen wollte – dass sie sich wünschte, Samson wäre noch hier … wäre noch am Leben. Aber Vivian hatte ihn im Kreios-Kolosseum getötet. Morgan hatte den Wikinger wirklich geliebt, trotz der Tatsache, dass Samson eigentlich Jasmines Freund gewesen war. Ich legte ihr eine Hand auf den Arm, um sie wissen zu lassen, dass ich sie verstand. Sie presste die Lippen zusammen und packte ihren Bogen fester.
»Kommt«, flüsterte sie. »Hier entlang.«
Morgan lief den Gang zurück, dann bog sie in einen anderen Flur und schließlich in noch einen, sodass wir den Konzertsaal quasi umrundeten. Ein paarmal mussten wir anhalten, auf einen anderen Weg ausweichen oder uns sogar in die Schatten drücken, um Schnitter vorbeizulassen. Zweiköpfige Teams patrouillierten durch das Auditorium. Alle waren mit Schwertern und Handys bewaffnet. Ich hätte nichts lieber getan, als gegen sie zu kämpfen, aber ich wusste, dass sofort Alarm ausgelöst werden würde, wenn wir das taten. Und dann wäre jede Chance verloren, meine Freunde zu retten.
Endlich erreichten wir eine Tür, auf der stand: Kontrollraum – nur für Angestellte. Die Tür war verschlossen, aber Morgan drückte sie mit ihrer Walkürenstärke mühelos auf. Ich verzog bei dem Lärm das Gesicht, aber es gab keine andere
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