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Frostglut

Frostglut

Titel: Frostglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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die Gliedmaßen seltsam verdreht. Es kostete mich ein paar Sekunden, um zu verstehen, was ich sah – sie waren alle tot. Blut sickerte unter ihren Körpern hervor und tropfte von der Bühne. Plopp, plopp, plopp. Obwohl wir uns so weit oben befanden, kam es mir vor, als könnte ich jeden roten Tropfen hören, der auf den Boden traf. Ich schlug eine Hand über den Mund und unterdrückte einen Schrei.
    Doch die meisten Sorgen machte ich mir um Logan. Der Spartaner war von den anderen getrennt worden. Er kniete vor ihnen mitten auf der Bühne. Er kauerte dort mit dem Rücken zu mir und hielt den Kopf gesenkt, also war es mir unmöglich, sein Gesicht zu sehen. Um seinen Hals glitzerte etwas Goldenes, doch ich konnte von hier oben nicht erkennen, was es war. Am schlimmsten war allerdings, dass Logan sich überhaupt nicht bewegte, obwohl er anders als die anderen nicht gefesselt war oder bewacht wurde. Ungefähr einen Meter vor ihm lag ein rechteckiger Gegenstand. Es dauerte ein bisschen, bis ich ihn als Buch identifizierte, wahrscheinlich die Originalausgabe von Große Transformationen – und das Buch war aufgeschlagen, als hätte gerade noch jemand darin gelesen.
    Mein Herz verkrampfte sich vor Schmerz, Angst und Panik. Die Schnitter hatten bereits mit dem Transformationsritual begonnen. Wäre es anders gewesen, hätte Logan gekämpft und versucht, die anderen zu befreien.
    Schließlich fiel mein Blick auf Linus, den man ebenfalls von den anderen getrennt hatte. Er saß ein paar Schritte von Logan entfernt mit gefesselten Händen auf der Bühne und blickte mit entsetzter Miene zwischen seinem Sohn und Agrona hin und her.
    Die Schnitterin ragte über ihrem Ehemann auf, mit einem blutigen Schwert in der Hand. Alle anderen Schnitter sahen sie ebenfalls an, und es war offensichtlich, dass sie die bösen Krieger befehligte.
    »Damit wirst du niemals durchkommen.« Linus’ Stimme driftete zu uns nach oben.
    Agrona musterte ihren Ehemann herablassend. »Oh, aber ich bin bereits damit durchgekommen, Liebling. Du und die Mitglieder deines ach so edlen Protektorats sind alle gefesselt, und ich habe die Situation vollkommen unter Kontrolle – und noch wichtiger, dasselbe gilt für deinen Sohn.«
    Ihre Worte jagten mir einen eiskalten Schauer über den Rücken, aber Logan blieb, wo er war, bewegungslos und mit gesenktem Kopf. Seine steife, unnatürliche Haltung erinnerte mich an Morgan, als Jasmine die Schale der Tränen eingesetzt hatte, um ihren Willen zu kontrollieren. Ich warf der Walküre einen kurzen Blick zu und erkannte an ihren zusammengepressten Lippen, dass sie dasselbe dachte.
    »Es wird nicht mehr lange dauern, bis dein Sohn bereit ist für den nächsten Schritt der Transformation«, sagte Agrona. »Dann wird er alle auf dieser Bühne als Blutopfer für Loki töten.«
    Die Schüler keuchten auf und wimmerten. Ein paar fingen wieder an zu weinen. Metis und die anderen Erwachsenen wirkten ähnlich entsetzt, obwohl sie darum kämpften, ihre Mienen ausdruckslos zu halten, um die Jugendlichen nicht zusätzlich in ihrer Angst zu bestärken. Trotzdem fühlte ich sogar hier oben, wie die Schüler und die Erwachsenen Angst in eisigen Wellen ausstrahlten.
    Agrona ließ ihren Säbel durch die Luft pfeifen, sodass einige der Schüler aufschrien. Die Frau lachte vergnügt, und in diesem Moment fiel mir der Rubinring an ihrer rechten Hand auf. Das Schmuckstück passte zu der rubinbesetzten Kette, die Agrona um den Hals trug. Ich erinnerte mich noch daran, dass ich bei unserem ersten Treffen gedacht hatte, wie hübsch ihre Kette war. Ich hätte wissen müssen, dass mehr dahintersteckte, als man auf Anhieb erkennen konnte – besonders nachdem Apates Schmuck aus der Bibliothek gestohlen worden war. Am unheimlichsten war jedoch, dass alle Edelsteine, die sie trug, Rubine genauso wie Smaragde, zu glühen schienen – und zwar in schnitterrotem Feuer.
    Ich dachte an die Beschreibungskarte zurück, die ich in der Bibliothek gefunden hatte und die immer noch in meiner Hosentasche steckte. Egal welche Macht die Juwelen besaßen, Agrona zapfte diese Magie offensichtlich gerade an. Ich fragte mich, ob es ihr so gelang, Logan zu kontrollieren, und ob der Spartaner sich deswegen nicht wehrte.
    »Noch ein paar Minuten, und Logan wird ganz uns gehören – genau wie es von Anfang an geplant war«, erklärte Agrona befriedigt.
    Linus runzelte die Stirn. »Was meinst du damit?«
    Statt ihm zu antworten, sah Agrona zu Nickamedes. »Du hattest die

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