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Frostkuss

Frostkuss

Titel: Frostkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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von dem Ritual, über das die anderen geredet hatten, der Erntesegen oder was auch immer es wirklich war.
    »Warum gehst du dann nicht hin?«, fragte Grandma. »Du hast dich früher immer gerne für so etwas herausgeputzt, bevor …«
    Sie brach ab, aber wir wussten beide, was sie hatte sagen wollen. Bevor deine Mom gestorben ist.
    Wieder zuckte ich mit den Schultern. »Zum einen habe ich keine Verabredung. Niemand hat mich gefragt. Ich will einfach nicht allein gehen und dastehen wie der totale Loser.«
    »Warum nicht?«, fragte Grandma Frost. »Du machst doch sonst eine Menge allein. Hast du schon immer.«
    »Ja schon, aber nicht so was«, sagte ich. »Nichts …«
    Dieses Mal brach ich ab, aber Grandma konnte ich nicht an der Nase herumführen. Sie wusste genau, was ich hatte sagen wollen.
    »Nichts, das Spaß macht«, beendete sie mit leiser Stimme meinen Satz.
    Grandma Frost sah mich mit sanften, traurigen Augen an. »Es ist in Ordnung, wenn du wieder Spaß hast, Gwen. Deine Mom würde nicht wollen, dass du jeden Abend zu Hause sitzt und um sie weinst. Sie würde wollen, dass du zu dem Ball gehst und dich amüsierst, selbst wenn du mit niemandem verabredet bist. Sie würde wollen, dass du so viel Spaß hast wie möglich, so oft du kannst. Bevor …«
    Sie schluckte ihre Worte herunter, und für einen Moment verspannte sich ihr gesamter Körper. Ihre Ringe knirschten, als sie die Hände zu Fäusten ballte, und die Münzen an den Rändern ihrer Tücher schlugen misstönend aneinander. Dann bemerkte Grandma Frost, dass ich sie anstarrte, und zwang sich dazu, sich wieder zu entspannen. Sie öffnete die Hände, und die Münzen spielten eine freundlichere Melodie.
    »Bevor, na ja, bevor du ganz erwachsen bist«, sprach sie weiter. »Das wäre, was deine Mom sich für dich wünschen würde. Dass du zu dem Tanzabend gehst und viel Spaß hast.«
    Ich wusste, dass es so war. Grace Frost hätte mich aufgefordert, genau das zu tun. Ich biss mir auf die Lippe und wandte den Blick ab, um nicht in Grandmas wissende Augen schauen zu müssen.
    »Es fühlt sich einfach … falsch an«, sagte ich. »Dass ich noch lebe und sie tot ist. Dass sie nie wieder etwas tun wird, was Spaß macht. Dass ich niemals wieder ihr Lächeln sehen oder ihr Lachen hören werde.«
    Grandma griff über den Tisch und legte ihre Hand auf meine. Ich fühlte, wie die sanfte Wärme ihrer Liebe mich umhüllte, wie sie es immer tat, wenn Grandma mich berührte. Aber dieses Mal spürte ich auch ihre Trauer, einen Schmerz, der so scharf und tief und wild war, dass es sich anfühlte, als würde jemand mein Herz mit einem Schwert in zwei Teile schlagen. Auch Grandma hatte jemanden verloren. Der Tod meiner Mom hatte ihr genauso wehgetan wie mir.
    »Ich weiß, dass es sich nicht richtig anfühlt, Süße. Aber der Tod deiner Mutter war nicht dein Fehler. Das Leben geht weiter, ob du es nun willst oder nicht. Ich glaube, es wird langsam Zeit, dass du wieder anfängst, es zu genießen, findest du nicht auch? Selbst wenn es nur ein winziges bisschen ist.«
    Ich seufzte und hatte das Gefühl, alle Energie würde meinen Körper verlassen. »Wahrscheinlich. Aber es ist alles so hart, weißt du? Ich war so … wütend, und nach Mythos zu gehen … Ich passe da einfach nicht hin. Ich verstehe nicht, warum ich nicht einfach wieder auf meine alte Schule wechseln kann. Ich bin nichts Besonderes, nicht wie die anderen Kinder dort.«
    »Du bist aus gutem Grund auf der Akademie«, antwortete Grandma Frost, und in ihre Stimme schlich sich wieder dieser ahnungsvolle Tonfall. »Du wirst früher oder später deinen Platz finden. Und was deine Mom angeht, sie ist nicht mehr bei uns, aber sie würde nicht wollen, dass du nur Trübsal bläst. Sie würde wollen, dass du rausgehst und lebst und alles tust, was Teenager so tun sollten.«
    Ich zog eine Augenbraue hoch. »Du meinst, betrunken und bekifft nach Hause kommen, nachdem ich beim Ball unter der Tribüne ungeschützten Sex mit meinem Freund hatte?«
    Grandma kniff die Augen zusammen, grinste mich aber trotzdem an. »Na ja, das nicht, aber alles andere. Du weißt, was ich meine. Also, ich möchte, dass du mir versprichst, zu diesem Ball zu gehen und dich zu amüsieren. Oder versprich mir zumindest, dass du mal darüber nachdenkst.«
    Das konnte ich ihr nicht abschlagen, aber ich konnte auch meine Schuldgefühle, meinen Schmerz und meine Wut nicht lange genug unterdrücken, um einfach Ja zu sagen. »Okay. Ich werde darüber

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