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Frostkuss

Frostkuss

Titel: Frostkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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nachdenken. Aber ich verspreche nichts.«
    »Mehr wollte ich gar nicht hören, Süße.«
    Grandma drückte mir einen Kuss auf die Stirn, dann stand sie auf und fing an, den Rest der abkühlenden Kekse in einer Dose zu stapeln, damit ich sie mit zurück in die Akademie nehmen konnte.
    Ich blieb einfach am Tisch sitzen und dachte über das nach, was Grandma gesagt hatte. Dann fragte ich mich, ob es vielleicht wirklich Zeit war, mit dem Leben weiterzumachen – und ein bisschen Spaß zu haben.
    Egal ob mir danach war oder nicht.

Sobald Grandma die Kekse verpackt hatte, schob ich die Dose in meine Tasche, stieg in den Bus und fuhr zurück nach Mythos.
    Inzwischen war der Hof fast menschenleer. Alle Schüler hatten sich in ihre Wohnheimzimmer zurückgezogen, um sich auf den Ball vorzubereiten. Gewöhnlich hätte ich es genossen, in der Stille die Eichhörnchen dabei zu beobachten, wie sie über dem üppigen Rasen von Ast zu Ast sprangen. Aber heute wirkte es, als hätte sich die gesamte Akademie plötzlich in eine Geisterstadt verwandelt. Es war zu leer, zu ruhig, besonders für eine Schule, an der vor ein paar Tagen eine Schülerin ermordet worden war. Wieder einmal hatte ich das Gefühl, als schauten alle Statuen von allen Gebäuden auf mich herab und beobachteten jede meiner Bewegungen. Ich schauderte, stopfte die Hände in die Taschen meines grauen Kapuzenpullis und eilte weiter.
    Die Bibliothek der Altertümer war keinen Deut besser. Nicht ein einziger Schüler saß an den Tischen vor dem Ausleihtresen, und es war auch kein Professor da. Heute Nachmittag war nicht einmal der Snackwagen besetzt, und in den gläsernen Büros in der Mitte der Bibliothek hatte irgendwer bereits alle Lichter ausgeschaltet.
    Ich konnte nicht anders, als dorthin zu schauen, wo die Schale der Tränen gestanden hatte – und wo Jasmine ermordet worden war. Es gab natürlich nichts mehr zu sehen, wie schon beim letzten Mal, als ich am Tag nach ihrem Tod hier gewesen war. Das Blut, die Leiche und die Schale der Tränen waren schon lange verschwunden. Trotzdem hatte ich das Gefühl, als hinge ein wachsames Schweigen über der Stelle. Als säße dort eine unsichtbare Macht und wartete nur darauf, dass etwas geschah.
    Wie zum Beispiel, dass ein Gypsymädchen vorbeiging, damit ein großes, böses Monster aus seinem Versteck im Boden oder wo auch immer springen und es packen konnte. Wieder lief mir ein Schauder über den Rücken. Okay, vielleicht war es ja nur meine hyperaktive Phantasie, aber im Moment bekam ich schon beim Anblick der Stelle richtige Angst.
    Mein Blick huschte wieder zu den Büros. Vielleicht konnte ich einfach gehen und meine Schicht heute Abend vergessen, wenn Nickamedes nicht da war …
    Rechts von mir bewegte sich etwas und kam direkt auf mich zu. Ich unterdrückte einen Schrei, wirbelte herum und …
    … entdeckte Nickamedes, der mit mehreren großen, schweren Büchern in der Hand zwischen den Regalreihen hervortrat.
    Ich lehnte mich an den Tisch hinter mir, seufzte und legte mir eine Hand aufs Herz, als könnte ich es durch die Berührung irgendwie dazu bringen, sich wieder zu beruhigen. Nickamedes zog die schwarzen Augenbrauen zusammen, wobei sich auch der Rest seines Gesichtes verzog.
    »Stimmt etwas nicht, Gwendolyn?«, fragte er mit seiner donnernden Stimme und legte die Bücher auf einem anderen Tisch ab. »Du wirkst ein wenig bleich, selbst für deine Verhältnisse.«
    Er hatte leicht reden. Nickamedes hatte so weiße Haut, dass er als Vampir durchgegangen wäre, falls es die wirklich gab. Vielleicht tat es es ja. Ich wusste einfach nicht mehr, was real war und was nicht.
    Nickamedes’ blaue Augen huschten zu der Uhr über dem Tresen. Ich seufzte, weil ich genau wusste, was jetzt kam.
    »Du kommst zehn Minuten zu spät«, schnaubte der Bibliothekar. »Schon wieder .«
    Mein Unbehagen verschwand und wurde, wie immer, von Verärgerung ersetzt. Wie konnte jemand nur ständig so zimperlich sein?
    »Oh, jetzt reg dich nicht auf«, murmelte ich. »Es ist ja nicht so, als wäre außer uns beiden irgendwer hier.«
    Nickamedes musterte mich scharf. »Hast du etwas gesagt, Gwendolyn?«
    »Nichts. Nein, gar nichts.«
    »Na dann. Es wird Zeit, dass du dich an die Arbeit machst. Wir haben mehrere Dutzend Bücher zurück in die Regale zu stellen, bevor wir heute Abend schließen.«
    Er deutete in Richtung des Ausleihtresens, neben dem drei Metallwagen standen, die bis zum Rand mit Büchern gefüllt waren. Ich seufzte wieder. So

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