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Frostkuss

Frostkuss

Titel: Frostkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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glaubhaft vorzuspielen, dass niemand außer mir selbst die Wahrheit erkannte.
    Ich verließ das Wohnheim und ging quer über den großen Hof. Alle hatten sich bereits im Speisesaal versammelt, also war der Hof noch leerer als vorhin. Eine kalte Brise mit einem Hauch von Winter darin wehte über den Rasen, und ich schlang die Arme um mich und wünschte mir, ich hätte daran gedacht, eine Jacke mitzunehmen. Aber ich würde jetzt nicht noch mal zurückgehen. Ich bezweifelte schwer, dass ich mir die Mühe machen würde, den Weg noch einmal zurückzulegen und zum Ball zu gehen, wenn ich jetzt umdrehte.
    Schließlich erreichte ich den Speisesaal. Die großen Türen standen offen, und Licht ergoss sich nach draußen, um zumindest einen Teil der Dunkelheit zu bannen. Am Eingang standen mehrere Schüler. Einige von ihnen zogen an Zigaretten oder auch an Stärkerem, wenn sie das Gefühl hatten, dass niemand hinsah. Einige tranken auch, und der saure Geruch von Bier vermischte sich mit süßem, beißendem Rauch.
    Ich ging an den anderen vorbei nach drinnen. Zu meiner Überraschung hatte sich der Speisesaal seit dem Mittagessen vollkommen verwandelt. Die üblichen runden Tische waren verschwunden und durch eine einzige, lange Tafel ersetzt worden, die sich an der linken Wand entlangzog. Purpur- und orangefarbene Herbstblätter und Schleierkraut schlangen sich als Dekoration um eine Eisskulptur, die ein riesiges Füllhorn darstellte. Auf der Tafel flackerten Kerzen und erleuchteten das Gourmet-Essen, das jeden verfügbaren Platz einnahm. Von der Decke hingen noch mehr Blätter und Zweige, außerdem Lichterketten in Silber und Gold, die den gesamten Raum in ein weiches, romantisches Licht tauchten. Selbst ich musste zugeben, dass alles sehr elegant und wunderschön aussah.
    Ich hatte das Ernteritual vor dem Ball verpasst, aber die Reste konnte ich noch erkennen. Im offenen Innenhof steckten Bienenwachskerzen auf großen Bronzestäben, und goldene Schalen gefüllt mit frisch gepflückten Trauben, Orangen, Mandeln und Oliven standen zu Füßen der verschiedenen Götterstatuen, inklusive Dionysos und Demeter. Alles im Garten schien heute Abend in warmen, bronzefarbenen Schein getaucht, auch die Weinbecher, die neben den Fruchtschalen standen. Die Luft roch scharf und süß zugleich wie Zitrusfrüchte. Ich wartete einen Moment und fragte mich, ob ich wohl dieselbe unsichtbare Macht spüren würde wie gestern Abend beim Lagerfeuer. Aber welche Präsenz auch immer bei dem Ritual beschworen worden war, sie war bereits verschwunden. Ich atmete auf. Kein magischer Hokuspokus mehr heute Nacht. Gut.
    Ich wusste nicht genau, wie viele Schüler Mythos hatte, aber es sah auf jeden Fall so aus, als wäre jeder Einzelne davon zum Ball erschienen. Paare in glitzernden Ballkleidern und Smoking hielten sich in den Armen und glitten eng umschlungen über die Tanzfläche. Manche saßen an den Tischen, die am Ende des Saals aufgestellt worden waren, knutschten, kicherten und flüsterten sich gegenseitig Dinge ins Ohr. Andere hatten sich um das Buffet versammelt, um dort Erdbeeren und andere frische Früchte unter den Schokoladenbrunnen zu halten, der einen unendlichen Strom dunkler, verlockender Süße ausspuckte. Ich entdeckte sogar ein paar Jugendliche, die gerade den Kaviar aßen, der auch zum Buffet gehörte. Igitt.
    Ich behielt recht, die Prinzen und Prinzessinnen der Jahrgänge waren bereits gekürt worden. Morgan McDougall stand mit ihrem kriecherischen Gefolge am Rand der Tanzfläche und hielt Hof. Auf Morgans Kopf saß ein glitzerndes Diadem, und sie hatte die Lippen zu einem triumphierenden Lächeln verzogen. Dies war ihr gesellschaftliches Debüt, und sie wollte, dass alle es kapierten. Morgan hatte ihren Arm unter den von Samson Sorensen geschoben und drückte sich eng an seine Seite. Samson sah im Smoking sehr gut aus, und er hielt seine schreckliche Goldkrone lieber in der Hand, statt sie wirklich zu tragen. Er beugte sich gerade vor und drückte Morgan einen nassen Kuss auf den Hals, während sie sich mit ihren Freundinnen unterhielt.
    Ich konnte nicht anders, als mich zu fragen, was Jasmine wohl getan hätte, wenn sie jetzt hier gewesen wäre. Wenn sie hätte sehen können, wie mühelos Morgen ihren Platz als Königin des zweiten Jahrgangs eingenommen hatte. Ich stellte mir vor, wie Jasmine hinüberstürmte, Morgan die kristallene Krone vom Kopf riss und anfing, Samson und ihre Freundin damit zu verprügeln. Die Walküre wäre auf jeden

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