Frostkuss
erklärte es nicht, warum ich hier war und was ich mit den Mythen, Göttern, dem Chaoskrieg und dem ganzen Rest zu tun hatte. Ich war nur ein Gypsymädchen, das Sachen berührte und Dinge sah. Kaum etwas Besonderes. Nicht wie Logan und seine Krieger-Killer-Instinkte oder Daphne und ihre unglaubliche Stärke und die funkensprühenden Finger.
Irgendein Wecker piepte, und Daphnes schwarze Augen huschten zu der Uhr in der Ecke des Raums. »Es ist schon sieben. Carson wartet wahrscheinlich unten auf mich. Wie sehe ich aus?«
Sie wirbelte herum, sodass sich das Kleid um sie bauschte, bevor sie den Rock wieder glatt strich.
»Du siehst wunderschön aus«, sagte ich ehrlich. »Und jetzt geh und amüsier dich.«
Daphne lächelte mich an, nahm ihre Tasche vom Bett und ging zur Tür. Dann hielt sie inne und warf mir über die Schulter einen Blick zu.
»Danke, dass du rübergekommen bist, Gwen«, sagte sie. »Hat Spaß gemacht.«
Ich lächelte zurück. »Mir auch.«
»Kann ich dich später anrufen?«, fragte die Walküre fast scheu. »Wenn es nicht zu spät ist.«
»Das erwarte ich sogar«, erklärte ich streng. »Denn ich will unbedingt erfahren, wie gut Carson küsst.«
Daphne lachte und streckte mir die Hand entgegen. Ich stand auf, sie schob ihren Arm unter meinen und legte die Hand auf den Ärmel meines Kapuzenpullis.
Arm in Arm verließen wir ihr Zimmer. Zwischen uns schwebte das Versprechen auf eine echte Freundschaft, fast wie die Funken, die von den Fingerspitzen der Walküre aufstiegen.
Ich geleitete Daphne die Treppe hinunter, wo Carson im Aufenthaltsraum wartete.
Er trug einen klassischen Smoking, in dem er aussah wie ein großer, schlaksiger Pinguin. Ich verkniff mir jeden Kommentar gegenüber Daphne, denn die Augen des Musikfreaks leuchteten beim Anblick der Walküre auf, genau wie ihre, als sie ihn sah. Es schossen mehr pinkfarbene Funken aus Daphnes Fingern, und hätte Carson noch breiter gegrinst, wäre ihm die Kinnlade abgefallen.
»Hi«, sagte Daphne leise, als sie vor ihm anhielt.
»Hi«, flüsterte Carson zurück. »Du bist wunderschön.«
Daphne wurde rot. Carson starrte sie weiter an. Keiner von ihnen bewegte sich oder sagte etwas. Schließlich räusperte ich mich, um den Musikfreak dazu zu bringen, endlich etwas zu unternehmen.
»Oh! Das ist für dich.« Carson stolperte vor und hielt Daphne eine kleine Schachtel mit einem Armband darin entgegen, an dem eine einzelne rosafarbene Rose steckte. Dabei erweckte er den Eindruck, als wäre ihm gerade erst wieder eingefallen, dass er sie in der Hand hielt.
»Danke.« Daphne nahm die Blume, gab mir die leere Schachtel und zog sich das einfache Armband über das Handgelenk.
Ich empfing Schwingungen von der Schachtel – ein Bild von Carson blitzte auf, wie er das Plastik mit verschwitzten Händen umklammerte und sich fragte, ob er wohl die richtige Farbe gewählt hatte. Es war ein nervöses Gefühl, aber ich fand es süß, dass er sich solche Sorgen um etwas so Kleines gemacht hatte. Ich konnte fühlen, wie Carson sich wünschte, dass an diesem Abend alles perfekt war, bis hin zum Blumenschmuck.
Die beiden blieben stehen und starrten sich an, aber schließlich räusperte sich Carson.
»Na ja, ich denke, wir sollten dann mal los. Wir wollen doch nicht zu spät kommen.« Dann runzelte er die Stirn. »Oder wollen wir das? Was ist cooler?«
Daphne lachte. »Das erkläre ich dir auf dem Weg zum Speisesaal.«
Carson reichte ihr den Arm, und Daphne hakte sich unter. Dann drehte sich die Walküre zu mir, um mir zuzuwinken, bevor die beiden das Wohnheim verließen. Ich beobachtete, wie sie davongingen, und lächelte. Sie waren wirklich ein süßes Paar.
Jetzt, da sie weg waren, hatte ich keinen Grund mehr, in Walhalla zu bleiben. Aber statt zu meinem eigenen Wohnheim zurückzugehen, drehte ich mich um und stieg wieder in den ersten Stock. Alle waren bereits zum Ball aufgebrochen, und das Gebäude war ruhig, als würde überhaupt niemand darin leben.
So sah auch niemand, wie ich wieder einmal meinen Führerschein benutzte, um das Schloss zu knacken, und dann in Jasmines Zimmer verschwand.
Es sah genauso aus wie beim letzten Mal, als ich vor ein paar Tagen hier gewesen war. Bett. Schminkkommode. Schreibtisch. Fernseher. Bücherregale. Ich zog Jasmines Schreibtischstuhl zurück und setzte mich, die leere Plastikkiste immer noch in der Hand. Mein Blick huschte durch das Zimmer, während ich hoffte, dass ich irgendeine Schwingung auffing oder einen
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