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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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zwei Jungen vorbei. Sie waren nicht älter als fünfzehn und hatten beide Schultaschen dabei. Das habe ich euch alles gesagt.«
    »Hast du bemerkt, in welche Richtung sie gingen?«
    »Richtung Apotheke.«
    »Apotheke?«
    »Und Schule«, sagte die Frau und kaute auf dem Karamellbonbon herum. »Da, wo der Junge umgebracht worden ist.«
    »Warum glaubst du, dass es diese beiden waren, die dein Auto beschädigt haben?«
    »Weil an dem Auto nichts war, als ich nach oben sauste, aber die Schramme war da, als ich wieder nach unten kam. Außer ihnen habe ich niemanden gesehen. Sie haben sich bestimmt da in der Nähe versteckt und sich über mich lustig gemacht. Wer macht sich einen Spaß daraus, Autos zu beschädigen, kannst du mir das sagen? Was sind das bloß für Typen?«
    »Das sind Deppen«, sagte Sigurður Óli. »Würdest du sie wiedererkennen, wenn du sie sehen würdest?«
    »Es ist natürlich nicht sicher, dass sie es waren.«
    »Nein, das weiß ich.«
    »Der eine war blond und hatte lange Haare. Sie hatten Parkas an. Der andere hatte eine Mütze auf. Ziemlich schlaksig.«
    »Würdest du sie auf Fotos wiedererkennen?«
    »Wahrscheinlich. So was kam aber neulich gar nicht für euch infrage.«
    Erlendur betrat sein Büro im Dezernat an der Hverfisgata und machte die Tür hinter sich zu. Er setzte sich an seinen Schreibtisch, legte die Hände in den Schoß und starrte vor sich hin. Er hatte einen kapitalen Fehler begangen und gegen die Grundregel verstoßen, die er immer hochgehalten hatte. Die erste Regel, die Marian Briem ihm beigebracht hatte. Nichts ist so, wie du glaubst, dass es ist. Er war sich seiner viel zu sicher gewesen, zu überheblich. Er hatte nicht die Vorsicht an den Tag gelegt, die einen vor Fehlern bewahren konnte, wenn man unbekanntes Terrain betrat. Seine Hybris hatte ihn auf Abwege geführt. Er hatte andere Möglichkeiten außer Acht gelassen, und das hätte ihm eigentlich nicht passieren dürfen.
    Er versuchte, sich an die Telefongespräche zu erinnern, an das, was die Frau gesagt hatte, was aus der Stimme herauszulesen gewesen war, zu welchen Tageszeiten sie angerufen hatte. Er hatte alles, was sie gesagt hatte, falsch ausgelegt. »So kann es nicht weitergehen«, hatte sie beim ersten Anruf gesagt, erinnerte er sich auf einmal. Beim letzten Anruf hatte er sich geweigert, ihr zuzuhören.
    Er hatte gewusst, dass diese Frau Hilfe bei ihm suchte. Sie hatte irgendetwas zu verbergen, womit sie nicht fertig wurde, und deswegen wandte sie sich an ihn. Dafür gab es nur einen möglichen Grund. Da es sich nicht um die vermisste Frau gehandelt hatte, konnte es nur mit einem anderen Fall zu tun haben. Ihm unterstand die Ermittlung im Fall Elías. Diese Anrufe mussten damit in Verbindung stehen, etwas anderes kam nicht infrage. Die Frau wusste etwas über den Mord an einem Kind, was bei der Ermittlung eine wichtige Rolle spielen konnte, und er hatte den Hörer aufgeknallt.
    Erlendur ließ die geballten Fäuste mit solcher Wucht auf den Schreibtisch niederkrachen, dass Papiere und Zettel durch die Gegend flogen.
    Er überlegte hin und her, was die Frau ihm zu sagen versucht hatte, kam aber zu keinem Ergebnis. Er konnte nur hoffen, dass sie noch einmal anrufen würde, obwohl das in Anbetracht dessen, wie er das Gespräch beendet hatte, sehr unwahrscheinlich war.
    Erlendur hörte ein Klopfen an der Tür. Elínborg steckte den Kopf herein. Sie sah die Papiere auf dem Boden und blickte Erlendur forschend an.
    »Alles in Ordnung bei dir?«, fragte sie.
    »Brauchst du etwas?«
    »Alle machen Fehler«, sagte Elínborg, trat ein und schloss die Tür hinter sich.
    »Gibt’s was Neues?«
    »Sigurður Óli geht mit der Besitzerin eines der Autos, die zerkratzt wurden, Fotos von den älteren Jahrgängen an der Schule durch. Sie hat da welche vor der Tür ihres Hauses gesehen, bevor ihr Auto beschädigt wurde.«
    Elínborg begann, die Blätter vom Boden aufzusammeln.
    »Lass das«, sagte Erlendur, stand aber auf und begann, ihr dabei zu helfen.
    »Der Gerichtsmediziner ist gerade mit der Autopsie beschäftigt«, sagte sie. »Es hat den Anschein, als sei die Frau ertrunken, und auf den ersten Blick finden sich keine Anzeichen für ein Verbrechen. Es ist mindestens zwei oder drei Wochen her, seit sie ins Meer gegangen ist.«
    »Ich hätte es besser wissen müssen«, sagte Erlendur.
    »Was soll das heißen?«
    »Ich lag total falsch.«
    »Du hättest es nicht besser wissen können, nun hab dich nicht so.«
    »Ich hätte mit

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