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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Schneeschauer nieder, und das aufgewühlte Meer brach sich an den Klippen. Erlendur wusste, dass man in früheren Zeiten von dort zum Fischen hinausgerudert war, und man konnte sogar noch die Grundmauern der primitiven Unterkünfte erkennen. Hier hatte es früher ein Gehöft, Fischerhütten und Trockenplätze gegeben.
    Die Leiche war in einer kleinen Bucht angeschwemmt worden. Die offizielle Suche war zwar schon eingestellt, aber eine kleine Gruppe von Mitgliedern einer Rettungsmannschaft aus Hafnarfjörður hatte die Küstenlinie in der Nähe des Aluminiumwerks abgesucht und die Leiche gefunden. In einem der Polizeiwagen, die es bis zum Meer geschafft hatten, saß Elínborg und unterhielt sich mit den Mitgliedern des Suchtrupps. Nicht weit von der Leiche standen ein Krankenwagen und zwei weitere Streifenwagen, deren Scheinwerfer die schmale Bucht, die Brandung am Ufer und die Menschen, die sich über die Leiche beugten, erleuchteten.
    Als Elínborg sah, dass Erlendur sich näherte, stieg sie aus dem Auto.
    »Ist der Ehemann verständigt worden?«, fragte er und blieb stehen.
    »Soweit ich weiß, ist er auf dem Weg.«
    »Es handelt sich ganz bestimmt um die Frau?«
    »Da gibt es keinen Zweifel. Wir haben sogar einen Ausweis bei ihr gefunden. Willst du sie dir nicht ansehen?«
    »Doch, gleich«, sagte Erlendur, holte die Zigaretten aus der Tasche und zündete sich eine an. Vor diesem Augenblick hatte er sich gefürchtet. Jetzt sah er diese Frau zum ersten Mal, und er wünschte sich, dass es nicht unter diesen Umständen wäre, als Leiche an der Küste von Reykjanes. Er erinnerte sich an den letzten Anruf. Er war rüde gewesen und bereute es zutiefst.
    Der Amtsarzt aus Hafnarfjörður war hinzugezogen worden, um den Totenschein auszustellen. Er hatte die Inspektion der Leiche beendet und trat jetzt zu ihnen.
    »Hast du äußere Verletzungen festgestellt?«, fragte Erlendur.
    »Nein, auf den ersten Blick nichts dergleichen«, antwortete der Arzt.
    Die Telefongespräche waren kurz gewesen, im Telegrammstil. Erlendur zerbrach sich den Kopf darüber, ob er anders hätte reagieren sollen. Hätte er ihr helfen können? Hätte er ihr besser zuhören sollen?
    »Ich bin nur hier, um den Totenschein auszustellen«, sagte der Arzt. »Der Gerichtsmediziner wird bei der Autopsie die genaue Todesursache feststellen.«
    Ein Jeep näherte sich. Erlendur warf die Kippe weg. Der Jeep hielt bei den Polizeiwagen, der Ehemann sprang heraus und rannte auf sie zu.
    »Habt ihr sie gefunden?«, rief er.
    Elínborg und Erlendur sahen sich an. Polizisten traten ihm in den Weg.
    »Ist sie das?«, schrie der Mann und starrte in die Richtung, wo die Leiche lag. »Großer Gott! Was hat sie getan?«
    Er versuchte, an den Polizisten vorbeizukommen, aber sie hielten ihn zurück.
    »Was hast du getan?«, rief er in Richtung der Leiche.
    Elínborg und Erlendur standen bewegungslos in der beißenden Kälte und blickten sich an. Der Mann wandte sich an Erlendur.
    »Sieh doch, was sie getan hat!«, rief er vollkommen außer sich. «Warum hat sie das gemacht? Warum?«
    Die Polizisten nahmen den Mann beiseite und versuchten, ihn zu beruhigen.
    Erlendur, Elínborg und der Arzt standen im Windschatten des Krankenwagens. Erlendur dachte an die Kinder der Frau, die die ganze Zeit seit ihrem Verschwinden in der Angst gelebt hatten, dass ihrer Mutter etwas zugestoßen sein musste.
    Erlendur hatte den Ehemann von den Anrufen informiert und wusste jetzt nicht, wie er sich verhalten sollte, nachdem die Frau tot aufgefunden worden war. Am besten kam er nicht darauf zu sprechen. Er hatte noch ihre Stimme im Ohr, die Verzweiflung, die Angst und dieses seltsame Zögern. Halbe Sätze, aus denen er kaum heraushören konnte, was sie von ihm wollte. Er stöhnte auf, steckte sich eine weitere Zigarette an und inhalierte tief.
    »Was geht in dir vor?«, fragte Elínborg.
    »Diese verfluchten Anrufe«, sagte Erlendur.
    »Von ihr?«, fragte Elínborg.
    »Die werde ich nicht los. Als ich zuletzt mit ihr gesprochen habe, war ich … Ja, ich war etwas grob zu ihr.«
    »Das sieht dir ähnlich«, sagte Elínborg.
    »Sie schien sich herumzuquälen, aber ich hatte das Gefühl, dass sie mit mir spielte. Ich habe ihr nicht genug Zeit gegeben. Wie dämlich man sein kann.«
    »Du hättest nichts daran ändern können.«
    »Entschuldigung«, mischte sich der Arzt ein, »wann hast du mit ihr gesprochen?«
    »Gestern Abend«, antwortete Erlendur.
    »Du hast gestern Abend mit dieser Frau

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