Frostnacht
sagen, wie es mir geht. Weshalb nimmst du mich nie ernst?«
»Das tu ich doch.«
»Du denkst immer, du seist was Besseres als ich.«
»So, wie die Dinge liegen, bin ich im Augenblick nicht auf eine Adoption eingestellt«, sagte er.
Bergþóra schaute ihn lange an, ohne ein Wort zu sagen. Dann lächelte sie schwach.
»Ist es deswegen, weil es Kinder aus dem Ausland sind?«, fragte sie. »Mit anderer Hautfarbe? Chinesische Kinder? Indische? Ist es deswegen?«
Sigurður Óli stand auf. »So können wir nicht miteinander reden«, sagte er.
»Ist es deswegen? Möchtest du isländische Kinder?«
»Bergþóra. Warum redest du so? Glaubst du nicht, dass mir …«
»Was?«
»Dass mir das auch wehgetan hat? Glaubst du nicht, dass es mir wehgetan hat, als es nicht klappte, als du die Fehl…«
Er verstummte mitten im Satz.
»Du hast nie einen Ton gesagt«, sagte Bergþóra.
»Was soll man denn auch sagen?«, fragte Sigurður Óli. »Was nutzt das ewige Reden?«
Sigurður Óli schreckte aus seinen Gedanken hoch, als der Mann immer lauter redete.
»Ja, äh … nein, entschuldige«, sagte Sigurður Óli gedankenverloren.
Der Mann mit dem verkratzten Auto starrte ihn an.
»Du hörst mir ja nicht einmal zu«, sagte er empört. »Es ist doch immer dasselbe mit euch Bullen.«
»Entschuldige, ich hab überlegt, ob du den, der deinen Wagen so zugerichtet hat, gesehen hast?«
»Nichts hab ich gesehen«, erklärte der Mann. »Ich hab den Wagen so vorgefunden, total zerkratzt.«
»Hast du einen Verdacht, wer es getan haben könnte? Jemand, der dir übel gesinnt ist? Oder Jugendliche in der Nachbarschaft?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung. Ist das nicht euer Job? Ist es nicht euer Job, diese Arschlöcher zu finden?«
Als Nächstes sprach Sigurður Óli bei einer jungen Frau vor, die direkt nebenan in einem Mietshaus lebte und Medizin an der Universität Islands studierte. Sigurður Óli versuchte, sich besser zu konzentrieren als zuvor bei dem Mann, der das Gespräch abrupt abgebrochen hatte.
Die Frau war Mitte zwanzig und ziemlich kräftig gebaut. Sigurður Óli hatte einen kurzen Blick in die Küche der kleinen Wohnung geworfen, und ihm war aufgefallen, wie viele Fast-Food-Verpackungen dort herumlagen.
Sie erzählte Sigurður Óli, dass sie kein besonders tolles Auto besäße, aber trotzdem seien solche Schrammen ärgerlich.
»Wieso habt ihr eigentlich jetzt auf einmal Interesse daran?«, fragte sie. »Als ich die Sache gemeldet habe, wart ihr kaum dazu zu bewegen, hierherzukommen.«
»Es sind noch weitere Wagen beschädigt worden«, sagte Sigurður Óli. »Einer beispielsweise hier im Haus nebenan. Wir müssen das unterbinden«, sagte er.
»Ich glaube, ich habe sie gesehen«, erklärte die Frau und zog eine Schachtel Zigaretten heraus. Die Wohnung war verraucht.
»Tatsächlich?«, fragte Sigurður Óli und sah zu, wie sie sich eine Zigarette anzündete. Er sah auch die Fastfood-Verpackungen in der Küche vor sich und mokierte sich im Stillen darüber, dass diese Frau Medizin studierte.
»Zwei junge Burschen haben hier vor dem Haus herumgelungert«, sagte sie und blies den Rauch in die Luft. »Ich war nämlich zu Hause, als das passierte. Es war ganz komisch, ich musste noch mal ins Haus, weil ich mein Essen vergessen hatte. Das Auto hatte ich für die kurze Zeit nicht abgeschlossen, sogar der Schlüssel steckte, obwohl man so was ja nicht machen soll.«
Sie sah Sigurður Óli dabei an, als wolle sie ihn darüber belehren.
»Und als ich nur ein paar Minuten später wieder nach draußen kam, da war auf einmal dieser irre Kratzer am Auto.«
»Es war also frühmorgens?«, fragte Sigurður Óli.
»Ja, ich war auf dem Weg zur Uni.«
»Wie lang ist das her?«
»Eine Woche ungefähr.«
»Und du hast diejenigen gesehen, die das gemacht haben?«
»Es waren auf jeden Fall zwei«, erklärte die Frau und drückte die Zigarette aus. Auf dem Tisch stand eine kleine Schale mit Karamellbonbons, von denen sie sich eins in den Mund steckte. Sigurður Óli lehnte dankend ab.
»Was hast du gesehen?«
»Ich habe euch das auch schon neulich gesagt, aber da schient ihr nicht so viel Interesse an so einem Kratzer zu haben.«
»Es geht nicht nur um einen«, wiederholte Sigurður Óli. »Sie haben noch weitere Autos beschädigt. Wir wollen sie schnappen.«
»Es war so gegen acht«, sagte die Frau. »Es war natürlich stockfinster, aber über dem Hauseingang ist eine Lampe, und als ich wieder ins Haus rannte, kamen
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