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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Sigurður, und sie beendeten das Gespräch.

Acht
    In der Turnhalle spielten die Jungen Fußball. Sie kämpften um jeden Ball und schreckten nicht vor hartem körperlichem Einsatz zurück. Sigurður Óli beobachtete, wie einer ein Tackling versuchte, das durchaus beinbruchverdächtig aussah. Der betroffene Junge brüllte vor Schmerz, als er zu Boden ging, und hielt sich den Knöchel.
    »Reißt euch zusammen, Jungs!«, rief der Trainer durch die Halle. »So geht es nicht, Geiri. Her zu mir, Raggi«, rief er dem Jungen zu, der sich nach dem Fall mühsam wieder hochrappelte. Er schickte einen anderen Jungen für Raggi ins Spiel, das mit unverminderter Härte weiterging. Da viel mehr Jungen beim Training waren, als auf dem Spielfeld eingesetzt werden konnten, wechselte der Trainer ständig aus. Sigurður Óli hielt sich im Hintergrund und beobachtete das Spiel. Der Trainer war Vilhjálmur, Elías’ Sportlehrer. Er verdiente sich zusätzliches Geld, indem er Jugendmannschaften trainierte, das hatte ihm Vilhjálmurs Frau gesagt, als er bei ihnen zu Hause vorgesprochen hatte. Sie hatte ihm gesagt, er würde ihren Mann in der Sporthalle finden.
    Das Training ging zu Ende. Vilhjálmur griff zur Pfeife, die ihm um den Hals hing. Ein Junge, der unzufrieden mit dem Resultat zu sein schien, trat mit aller Kraft gegen den Ball, der einen Mitspieler am Hinterkopf traf. Daraus entstand ein wildes Gerangel, aber Vilhjálmur pfiff noch einmal und rief den Jungen zu, sie sollten mit diesem Blödsinn aufhören und sich schleunigst unter die Dusche begeben. Er schien die Jungen gut unter Kontrolle zu haben, denn sie hörten sofort mit der Balgerei auf.
    »Ist das nicht ein bisschen zu viel Geholze?«, fragte Sigurður Óli und ging auf Vilhjálmur zu. Die Jungen glotzten ihn auf dem Weg in die Umkleidekabinen an. Sie hatten noch nie so einen Dressman in der Sporthalle gesehen.
    »Sie können manchmal über die Stränge schlagen«, erklärte Vilhjálmur, ein untersetzter, bulliger Mann um die dreißig, und gab Sigurður Óli die Hand. Dann sammelte er die Bälle ein, warf sie in einen Verschlag und verschloss ihn. »Diese Kinder müssen abgehärtet werden. Sie kommen faul und fett vom Pizzafressen und Computerspielen hierher, und ich bringe sie auf Trab. Du bist wegen Elías hier?«, fragte er.
    »Du hast ihn heute zuletzt unterrichtet«, sagte Sigurður Óli.
    Vilhjámur hatte von dem Mord erfahren und erklärte, es kaum glauben zu können. »Das hat einen irgendwie völlig aus der Bahn geworfen«, sagte er. »Elías war ein prima Junge. Er war gut in Sport, und ich glaube, er hatte sehr viel Spaß an Fußball. Man weiß überhaupt nicht, was man sagen soll.«
    »Ist dir heute irgendetwas Besonderes oder Ungewöhnliches an seinem Verhalten aufgefallen?«
    »Es war ein ganz normaler Tag. Ich habe sie ein bisschen laufen und übers Pferd springen lassen und dann in zwei Mannschaften aufgeteilt. Fußball und Handball machen ihnen am meisten Spaß.«
    »Glaubst du, dass Elías anschließend direkt nach Hause gegangen ist?«
    »Ich habe keine Ahnung, wohin er gegangen ist«, antwortete Vilhjálmur.
    »Ging er als Letzter hinaus?«
    »Elías war immer der Letzte«, sagte Vilhjálmur.
    »War er so eine ›Stewardess‹?«
    »Kommst du auch von den Westmännerinseln?«
    »Nein, nicht ganz. Du bist aber …«
    »Ich bin mit zwölf Jahren weggezogen.«
    »Hat Elías häufig so gebummelt?«
    »Er war einfach so«, sagte Vilhjálmur. »Er brauchte immer so lange. Er brauchte lange, um sich die Sportsachen anzuziehen. Er hat immer herumgetrödelt, und man musste ihm Beine machen.«
    »Was hat er denn immer getan?«
    »Tja, wahrscheinlich war er in seine eigene Welt versunken.«
    »Heute auch?«
    »Bestimmt, aber ich habe nicht darauf geachtet, denn ich musste zu einer Besprechung.«
    »Hast du gesehen, ob irgendjemand draußen auf ihn gewartet hat? Ob er sich mit jemandem treffen wollte? Ob er Angst davor gehabt hat, nach Hause zu gehen? Hast du ihm etwas angemerkt, oder hat er dir gegenüber so etwas erwähnt?«
    »Nein, nichts dergleichen. Ich habe nichts Ungewöhnliches hier draußen vor der Halle bemerkt. Die Kinder machten sich auf den Nachhauseweg. Ich glaube nicht, dass jemand auf ihn gewartet hat. Ansonsten habe ich mir über so was keine Gedanken gemacht, an so was denkt man normalerweise nicht.«
    »Nein, erst nachher«, sagte Sigurður Óli.
    »Genau. Aber wie gesagt, ich habe nichts Ungewöhnliches bemerkt. Während der Stunde habe ich

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