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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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beim Abendessen gestört. Außer ihr waren auch noch andere Kriminalbeamte unterwegs, um die Familien zu befragen, deren Kinder möglicherweise Kontakt zu Elías gehabt hatten.
    Elínborg entschuldigte sich ein ums andere Mal. Die Mutter erklärte, die Nachricht im Fernsehen gesehen zu haben. Sie war schockiert. Der Vater zeigte keine besondere Reaktion, genauso wenig die Kinder.
    Elínborg sah auf die Teller, Spaghetti mit Hackfleisch. Der Geruch nach gebratenem Fleisch, vermischt mit Basilikum und Ketchup, durchzog das ganze Haus. Sie musste an den leeren Kühlschrank bei sich zu Hause denken. Sie war seit ewigen Zeiten nicht mehr zum Einkaufen gekommen.
    »Zum Geburtstag von Biggi war er hier«, sagte die Mutter, die am Tisch stand. »Wir wollten alle in der Klasse einladen. Ich fand, dass er ein außergewöhnlich liebenswürdiger Junge war. Ich begreife einfach nicht, was passiert ist. Es hieß, er sei erstochen worden, so als hätte es jemand darauf abgesehen gehabt, ihm etwas anzutun. Es hörte sich so an, als sei er vorsätzlich angegriffen worden. Stimmt das?«
    »Wir tappen noch im Dunkeln«, erklärte Elínborg. »Wir stehen mit den Ermittlungen erst am Anfang. Ich habe die Nachrichten nicht gesehen, aber ich bezweifle, dass sie diese Information von der Kriminalpolizei erhalten haben. Wir wissen im Augenblick noch sehr wenig. Deswegen würde ich mich gern ein bisschen mit dir unterhalten, Biggi«, sagte sie und wandte sich an den Jungen.
    Biggi schaute sie mit großen Augen an.
    »Du warst doch mit ihm befreundet, oder nicht?«, fragte Elínborg.
    »Eigentlich nicht«, sagte Biggi. »Er war in meiner Klasse, aber …«
    »Biggi kennt ihn nicht besonders gut«, fiel ihm seine Mutter ins Wort und lächelte verlegen.
    »Ich verstehe«, sagte Elínborg.
    Der Vater saß schweigend am Küchentisch. Der Teller mit den Spaghetti stand vor ihm, aber es widerstrebte ihm offensichtlich, im Beisein der Kriminalbeamtin zu essen. Die Kinder hatten angefangen, sich die Nudeln reinzustopfen. Elínborg bekam deutlich zu spüren, dass sie den Hausfrieden störte.
    »Hast du manchmal mit ihm gespielt?«, fragte sie.
    »Ich glaube nicht, dass Biggi viel mit ihm gespielt hat«, erklärte der Vater.
    Er war schlank und hatte ein hageres Gesicht mit dunklen Ringen unter den Augen. Sein Bart war einige Tage alt. Er trug eine blaue Latzhose, deren Oberteil er abgestreift hatte, als er sich an den Küchentisch setzte. Die Hände sahen abgearbeitet aus. Gesicht und Haare waren mit etwas bedeckt, was Elínborg für Zementstaub hielt, und daraus schloss sie unwillkürlich, dass er Maurer war.
    »Ich hätte gern …«, sagte Elínborg.
    »Ich hätte gern in Frieden mit meiner Familie zu Abend gegessen«, sagte der Mann, »falls du nichts dagegen hast.«
    »Das weiß ich«, sagte Elínborg, »und ich bitte nochmals um Entschuldigung für die Störung. Ich hätte nur gern Biggi ein paar Fragen gestellt, denn wir müssen so schnell wie möglich an Informationen herankommen. Es dauert gar nicht lange.«
    »Das kannst du doch auch später machen«, erklärte der Vater.
    Er schien Elínborg mit seinen Blicken durchbohren zu wollen. Seine Frau stand am Tisch und schwieg, und die Kinder schaufelten das Essen in sich hinein. Biggi sah Elínborg an, während er einige Nudeln aufsaugte.
    »Weißt du, ob Elías allein war, als er von der Schule nach Hause ging?«, fragte Elínborg.
    Biggi schüttelte mit vollem Mund den Kopf.
    Der Mann schaute seine Frau an.
    »Ich glaube nicht, dass es irgendetwas mit Birgir zu tun hat«, sagte er.
    »Er war wirklich nett, dieser Junge, höflich und gut erzogen«, sagte die Frau. »Und er war der Einzige, der sich nach der Geburtstagsfeier bedankt hat, und er hat auch nicht so herumgetobt wie die anderen Jungen.«
    Sie blickte zu ihrem Mann, während sie das sagte, als würde sie sich dafür entschuldigen, Elías zur Geburtstagsparty ihres Sohnes eingeladen zu haben. Elínborg ließ ihre Blicke von den Eltern zu den Kindern wandern, die aufgehört hatten zu essen und ängstlich auf ihre Eltern starrten. Sie spürten, dass sich ein Streit anbahnte.
    »Wann war der Geburtstag?«, fragte Elínborg, indem sie sich der Mutter zuwandte.
    »Vor drei Wochen.«
    »Also kurz vor Weihnachten? War es nicht ein gelungenes Fest?«
    »Ja, alles hat prima geklappt, nicht wahr, Biggi?«, fragte die Frau und sah ihren Sohn an. Den Blicken ihres Mannes wich sie aus.
    Biggi nickte zustimmend, schaute dabei aber seinen Vater an und

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