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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Ich kann dir helfen. Versteckst du dich seinetwegen? Bist du seinetwegen auf der Flucht?«
    »Ich würde alles für ihn tun, deswegen …«
    Die Frau verstummte.
    »Wir müssen mit dir reden«, sagte Erlendur.
    Schweigen.
    »Wir können dir helfen. Ich weiß, dass es schwierig ist, aber …«
    »Das sollte nicht so laufen. Niemals …«
    »Sag mir, wo du bist, und dann unterhalten wir uns«, sagte Erlendur. »Es wird alles in Ordnung kommen, das verspreche ich dir.«
    Er wartete in atemloser Spannung und hörte nur das Schluchzen der Frau am anderen Ende der Leitung. Geraume Zeit verging, ohne dass Erlendur sich traute, etwas zu sagen. Die Frau ging sicher die Möglichkeiten, die sie hatte, nacheinander durch. Er suchte krampfhaft nach Worten, die ihr helfen würden weiterzureden. Etwas über ihren Mann. Über die Familie. Über ihre beiden Kinder.
    »Die Kinder wollen bestimmt wissen …«
    »Großer Gott«, stöhnte die Frau, und ehe Erlendur sichs versah, hatte sie aufgelegt.
    Erlendur starrte auf das Telefon in seiner Hand. Das Display zeigte genau wie bei dem vorigen Anruf ›unbekannter Teilnehmer‹. Er ging davon aus, dass die Frau von einem öffentlichen Fernsprecher aus anrief, das war den Hintergrundgeräuschen während des Gesprächs zu entnehmen. Er hatte eruieren lassen, dass die Frau beim vorigen Mal aus dem Einkaufscenter Smáralind angerufen hatte. Meist halfen solche Informationen nicht weiter. Die Leute, die von einem öffentlichen Fernsprecher aus bei der Polizei anriefen, taten das aus ganz bestimmten Gründen und benutzten dazu eben keine Telefonzelle in der Nähe der Wohnung oder des Arbeitsplatzes. Der Ort sagte der Polizei so gut wie nichts.
    Nachdenklich steckte er das Handy wieder in die Tasche. Weshalb rief die Frau ihn an? Es ging ihr offensichtlich nicht darum, ihm etwas mitzuteilen. Sie äußerte sich nicht dazu, weshalb sie sich versteckt hielt. Sie sprach nicht über ihren Ehemann und ließ mit keinem Wort durchblicken, was sie dachte. Vielleicht war sie der Meinung, dass es genügte, ihn wissen zu lassen, dass sie noch am Leben war, damit er aufhören würde, nach ihr zu suchen. Was hatte sie zu verbergen? Weshalb hatte sie ihn verlassen?
    Diese Fragen hatte er auch dem Ehemann gestellt, aber keine Antwort darauf bekommen. Der Mann schüttelte nur völlig verständnislos den Kopf, und das war nahezu seine einzige Reaktion auf ihr Verschwinden. Nach der Jahreswende hatte Erlendur sich mit den früheren Ehefrauen unterhalten und sie gefragt, was ihrer Meinung nach geschehen sein könnte. Die eine hatte er in ihrem Haus in Hafnarfjörður besucht, während der Ehemann auf einer Dienstreise im Ausland war. Die Frau war ganz erpicht darauf, Erlendur bei den Ermittlungen behilflich zu sein und ihm zu sagen, was für ein gemeiner Dreckskerl ihr früherer Ehemann sei. Erlendur hörte sich das alles an und fragte sie anschließend, ob sie glaube, dass er seiner neuen Frau etwas angetan haben könne. Die Antwort ließ nicht auf sich warten.
    »Bestimmt«, sagte sie, »da bin ich mir völlig sicher.«
    »Wieso?«
    »Solche Männer wie er«, sagte sie verächtlich, »denen ist alles zuzutrauen.«
    »Hast du einen bestimmten Grund für diese Annahme?«
    »Nein«, entgegnete die Frau, »das weiß ich bloß. Er ist so. Er geht bestimmt schon wieder fremd, diese Kerle können nicht damit aufhören. Das ist wie eine Krankheit bei diesen verdammten Typen.«
    Was die andere Frau, die auf eigenen Wunsch zu Erlendur ins Dezernat kam, ausgesagt hatte, war relevanter gewesen. Sie wollte nicht, dass er zu ihr nach Hause kam. Sie hörte ihm aufmerksam zu, während er ihr den Fall darlegte, vor allem, als Erlendur sich wie eine Katze um den heißen Brei herumschlich, als es um die Frage ging, ob der Mann an dem Verschwinden der Frau beteiligt gewesen sein könnte.
    »Habt ihr denn keinerlei Anhaltspunkte, was aus ihr geworden ist?«, fragte sie und blickte sich im Büro um.
    »Kannst du dir vorstellen, dass er ihr etwas angetan hat?«, fragte Erlendur.
    »Geht ihr davon aus?«
    »Wir gehen von nichts aus«, sagte Erlendur.
    »Da muss aber doch was sein, sonst würdest du nicht danach fragen.«
    »Es handelt sich um eine ganz normale Recherche«, sagte Erlendur. »Wir versuchen, alles so gut wie möglich auszuleuchten. Es geht nicht um das, was wir glauben oder nicht glauben.«
    »Du glaubst, er hat sie umgebracht«, sagte die Frau und schien dabei richtiggehend aufzuleben.
    »Ich glaube gar nichts«, sagte

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