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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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sprachen zunächst über die unfassbare Tragödie, die passiert war.
    »Es ist ja meistens doch nur leeres Geschwätz, wenn die Leute sagen, sie hätten nichts gegen Ausländer«, sagte der Mann. Er war Ingenieur und war extra von der Arbeit nach Hause gekommen, um seinem Sohn zur Seite zu stehen. Die Eheleute saßen am Küchentisch, der Mann war ziemlich groß und korpulent, seine Frau dagegen klein und zierlich. Sie sah freundlich aus. Beide waren augenscheinlich sehr besorgt. Sie arbeitete als Abteilungsleiterin bei einer Pharmafirma und hatte sich ebenfalls freigenommen. Der Mann sprach über seine Erfahrungen mit Isländern aus der Sicht eines Mannes, der mit einer Ausländerin verheiratet war.
    Sigurður Óli nickte zustimmend. Er fürte das Gespräch allein, da Elínborg anderweitig im Einsatz war.
    »Wir sagen zwar gerne, dass wir nichts gegen die Zuwanderer aus Asien hätten oder dagegen, dass sie hierherkommen und sich hier niederlassen. Angeblich ist es spannend, dass hier Restaurants mit thailändischer Küche aufmachen, und interessant, eine andere Kultur kennenzulernen, andere Musik zu hören. Aber wenn es darauf ankommt, heißt es immer, dass nicht zu viele von ›diesen Menschen‹ hierherkommen dürfen«, sagte der Mann, indem er die Anführungszeichen mit den Fingern andeutete.
    »Wir haben sehr oft darüber gesprochen«, sagte die Frau und sah ihren Mann an. »Vielleicht ist es in gewissem Sinne auch verständlich. Isländer gibt es nicht so viele, und sie sind sehr stolz auf ihre Geschichte und wollen sie in Ehren halten. Weil es keine große Nation ist, sträubt man sich hier besonders gegen Veränderungen. Die sind für sie gleichbedeutend mit Problemen. Und dann kommen die Zuwanderer und zerstören das Bild. Viele, die nach Island kommen, egal, ob sie aus Asien kommen oder von anderswo, leben isoliert, weil sie die Sprache meist nicht richtig lernen und deswegen immer Außenseiter bleiben. Einigen gelingt es freilich besser, sich zu integrieren, aber sie tun oft selbst etwas dafür, weil sie wissen, wie wichtig es ist. Im Grunde genommen dreht sich alles um die Sprache.«
    Ihr Mann nickte. Kári saß daneben, schaute auf den Fußboden und wartete darauf, dass die Reihe an ihn kam.
    »War da nicht neulich etwas in den Nachrichten?«, sagte der Mann. »Über die Probleme von Isländern, die nach Dänemark auswandern? Ihre Kinder haben sich geweigert, Dänisch zu lernen. Ist das nicht genau dasselbe?«
    »Einwanderungsprobleme können natürlich überall auftreten«, fuhr die Frau fort und sah wieder ihren Mann an. »Das ist nichts Neues, das passiert in der ganzen Welt. Es ist eine Grundvoraussetzung, dass diesen Leuten dabei geholfen wird, sich zu integrieren. Im Gegenzug müssen die Leute aber auch den Willen haben, sich anzupassen, wenn sie tatsächlich auf Dauer in Island leben wollen.«
    »Was ist das Schlimmste, das du zu hören bekommst?«, fragte Sigurður Óli.
    »Verpiss dich nach Hause, du thailändische Nutte«, antwortete die Frau prompt, und es hatte fast den Anschein, als sei sie schon mehrfach danach gefragt worden und habe sich gegen solche Äußerungen gewappnet, so als seien sie unvermeidlich. Kári sah seine Mutter an.
    »Seid ihr der Meinung, dass die Vorurteile zunehmen?«, fragte Sigurður Óli.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete der Mann.
    »Merkst du in der Schule was davon?«, wandte sich Sigurður Óli an den Jungen.
    Kári zögerte. »Neee«, sagte er etwas unsicher.
    »Ich finde es nicht richtig, von ihm zu erwarten, dass er so etwas zugibt«, erklärte der Mann. »Niemand möchte gern andere verpfeifen. Und schon gar nicht, wenn so etwas Schreckliches passiert ist.«
    »Andere Kinder behaupten, dass Kári und seine Freunde in der Schule mit Drogen handeln. Die haben keinen Augenblick gezögert, das zu sagen.«
    »Wer behauptet denn so etwas?«, fragte die Frau.
    »Das haben wir gehört«, sagte Sigurður Óli. »Vielleicht ist es zu diesem Zeitpunkt auch gar nicht nötig, darauf genauer einzugehen. Ich kann aber so viel sagen, dass es keine sehr zuverlässige Zeugin war.«
    »Ich habe noch nie was mit Dope zu tun gehabt«, sagte Kári.
    »Und deine Freunde?«, sagte Sigurður Óli.
    »Nein, die auch nicht.«
    »Und Niran?«
    »Keiner von uns«, sagte Kári. »Das ist einfach eine Lüge. Wir haben nie Dope verkauft. Das ist gelogen.«
    »Kári rührt so etwas nicht an«, sagte sein Vater, »das ist absurd. Und genauso wenig dealt er damit.«
    »Ihr würdet das

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